Major

McIlroy im Glück: Beinahe vergessener Putter leistet wertvolle Dienste

15. Jun. 2019 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Rory McIlroy in Runde zwei der US Open 2019. (Bildquelle: Getty)

Rory McIlroy in Runde zwei der US Open 2019. (Bildquelle: Getty)

Was so ein frischer Sieg doch alles bewirken kann: Canadian-Open-Gewinner Rory McIlroy wirkt bei dieser 119. US Open ziemlich unbeirrbar, ließ sich gestern seine gute Runde und Laune auch nicht von einem Bogey auf der 13 und gar einem Doppelbogey auf der 14 trüben, sondern bewies Resilienz und legte direkt mit zwei weiteren Schlaggewinnen zur 69 und zu insgesamt -5 fürs Turnier nach, die ihm seine aussichtsreiche Position fürs Wochenende bewahrten. „Ich fühle mich mit meinem Spiel so wohl wie lange nicht mehr“, sagte der Nordire hernach. „Wenn mir heute am ersten Tee jemand diese Platzierung als Ausgangsbasis für die letzten 36 versprochen hätte, dann hätte ich das sofort genommen.“

Dabei wäre „Rors“ beinahe ohne seinen „heißen“ Putter nach Kalifornien gereist, der ihm besonders in der 61er Finalrunde von Ontario wertvolle Dienste geleistet hatte. Bei der Siegerehrung hatte McIlroy seinen „Flat Stick“ dem Präsidenten von Golf Canada, Laurence Applebaum, in die Hand gedrückt, um sich ein Trikot seines Lieblings-Basketball-Clubs Toronto Raptors überzuziehen, die tatsächlich gerade den Titel der US-Liga NBA gewonnen haben, und war irrtümlich davon ausgegangen, dass Applebaum den Putter an Caddie Harry Diamond weitergibt. Also schickte er Diamond kurz vor der Abfahrt los („Kannst Du bitte Laurence suchen“), um das gute Stück sicherzustellen: „Ich habe sicherlich ab und an ein paar blöde Sachen gemacht, aber den Erfolgsputter einfach herzugeben, gehört nicht dazu.“ Es zahlt sich aus: Mit jeweils 26 Putts pro Runde liegt der vierfache Majorsieger deutlich unter dem Durchschnitt des Felds und war gestern auf den austrocknenden Grüns gar Zehnter der Statistik mit durchschnittlich 1,44 Putts, während das Feld bei 1,61 lag.

Woodlands zweiter Major-Frühling

Spätzünder: Gary Woodland erlebt gerade seinen zweiten Majorfrühling. Vor zehn Jahren feierte der 35-Jährige aus Kansas auf dem Black Course im Bethpage State Park sein US-Open-Debüt und brauchte insgesamt 26 Majors, bis er es bei der PGA Championship 2018 mal in die Top Ten schaffte. Gestern schoss dreifache Tour-Sieger mit einer bogeyfreien 65 (-6) die Runde des Tages und geht heute mit Justin Rose in den „Moving Day“. Mal sehen, wie Woodland mit dem „Blick in den Rückspiegel“ klar kommt, wo neben dem Olympiasieger aus England jede Menge weiterer großer Namen lauern.

Spieth scheitert an Bunkerharke

Gelernt! So was kommt im Profigolf auch nicht alle Tage vor: Gestern scheiterte Jordan Spieth auf seinem elften Loch, der Zwei, an einer Bunkerharke, nachdem er seinen Abschlag in den Sand gesetzt hatte. Der Texaner übersah das Werkzeug im tiefen Gras der Bunkerkante, sein Ball prallte gegen den Stiel und schaffte es gerade mal knapp 14 Meter weit, das Ganze endete schließlich mit einem Bogey. Diesmal war freilich nicht Caddie Michael Greller der Sündenbock, auch wenn Spieth seinem „Looper“ noch aus dem Sand ein ironisches „Ja, da war doch eine Harke!“ zurief.

„Das geht auf mich“, sagte der 25-Jährige später. „Ich sollte schon wissen, was in Zielrichtung auf mich wartet. Aber die Harke konnte ich aus dem Bunker gar nicht sehen, und dabei habe ich schon versucht, möglichst hoch über die Bunkerlippe zu spielen. Das war einfach eine Verkettung unglücklicher Zufälle.“ Und Spieth nach seinen 33 Schlägen auf der Par-36 ohnehin in guter Laune …

Patrick Reed und sein Temperament

Aussetzer: Man soll ja bekanntlich viele Dinge nicht übers Knie brechen – es sei denn, man heißt Patrick Reed und hat gerade einen mächtigen Rochus auf sich – und das arme Wedge muss es ausbaden.

Beinahe hätte „Captain America“ auf der 18 nämlich noch den Cut verpasst, nachdem er es mit vier Schlägen gerade mal ins Rough neben dem Grün geschafft und den ersten Schlag im tiefen Gras verhungern ließ. Mit einem „frischen“ Schläger schaffte Reed es dann aufs Grün, rettete schließlich das Doppelbogey und rutschte auf der Cutlinie von +2 ins Wochenende. Der Spott aus dem Netz ließ nicht lange auf sich warten:

Louis, der Touri …

Sightseeing: Louis Oosthuizen, jener Liebhaber von schwerem Baugerät und Traktoren für seine Farm in Südafrika, den sie auf der Tour gern „Shrek“ nennen, spielt auf den Pebble Beach Golf Links mal wieder ganz vorn mit. Neun Jahre ist es her, dass der Mann mit der markanten Zahnlücke auf dem Old Course zu St. Andrews die Open Championship gewann, ansonsten ist die Majorbilanz der jüngeren Vergangenheit bis auf einen geteilten zweiten Platz bei der PGA Championship 2017 eher durchwachsen, wenngleich er bislang bei jedem Major schon mal mindestens Zweiter wurde.

Bei dieser 119. US Open trumpft der 36-Jährige mit einem besonderen Rezept auf: Er marschiert „leichten Herzens“ (Oosthuizen über Oosthuizen) über die Fairways, genießt den Platz und die malerische Szenerie. „Ich sah wahrscheinlich aus wie ein Tourist, hab jede Menge Fotos mit meinem Handy gemacht und völlig vergessen, dass ich auf einer Einspielrunde war“, blickte Oosthuizen auf die Trainingstage zurück. „Irgendwie war ich völlig entrückt; ja, das macht dieser Ort hier mit dir.“ Und genauso spielt er auch: lasergenaue Eisen, phänomenales Kurzspiel, haarsträubend gewagte und gute Rettungsaktionen, -6 vor dem „Moving Day“. Für tiefe Scores ist Oosthuizen ohnehin immer gut: Er ist schließlich der damals 22-jährige Amateur mit der 57 im Jahr 2002 auf seinem Heimatkurs Mossel Bay …

Rechtsdrall bei Brooks Koepka

Abweichler: Brooks Koepka hat in Pebble Beach Historisches im Visier, immerhin hat außer Willie Anderson (1903 bis 1905) noch niemand drei US Open in Serie gewonnen. Doch der Titelverteidiger muss dafür etliche Umwege auf den Pebble Beach Golf Links machen, denn er leidet aktuell unter einem gehörigen Rechtsdrall. Schon während der ersten Runde lag er auf den Schlusslöchern permanent abseits der Linie und rettete sich dennoch mit 2 unter Par ins Clubhaus, gestern war‘s nicht viel besser. Zudem hat der vierfache Majorsieger seinen Touch auf den Grüns noch nicht gezeigt, aber wenn diese derzeitige Vorstellung Koepkas eher durchwachsenes Spiel ist, bei vier unter Par und fünf Schlägen Rückstand auf Spitzenreiter Gary Woodland, dann wehe dem Feld, sollte der 29-Jährige am Wochenende seine Brillanz wiederfinden …

Tiger und der Kampf ums Par

Sportlicher Überlebenskampf: Tiger Woods ist im Wochenende und spricht nach wie vor von einer Siegchance, muss er ja auch, wenngleich die Spitze um neun Schläge enteilt ist. Dennoch ist der 15-fache Majorsieger weit entfernt von seiner einstigen Dominanz in Pebble Beach – auch das kein Wunder. „Golf WRX“ spricht davon, dass Woods jede Chance aus sich und dem Golfplatz „förmlich heraus quetscht“, und das trotz einiger Birdies meistens im Kampf ums Par. 14 Stück in Serie spielte er gestern nach dem Birdie auf seinem zweiten Loch, manchen kamen für „Golf WRX“ in der „geradezu mysteriösen Weise eines Zauberers" zusammen, bevor ihm dann mit den Bogeys auf den beiden Schlusslöchern seiner Runde die Puste ausging.

Unfall mit wild gewordenem Cart

Böser Zufall: Vier Verletzte forderte gestern Nachmittag auf den Pebble Beach Golf Links ein Unfall mit einem Cart, und die Ursache war so „blöd“, dass es im Film als unrealistisch abgetan worden wäre. Auf dem abgestellten Gefährt eines Erfrischungsverkäufers nahe dem 16. Grün war eine der auf dem Sitz gestapelten Kisten ins Rutschen geraten und aufs Gaspedal gefallen; das Cart machte sich selbständig, rollte in eine Zuschauergruppe und erfasste vier Personen. Drei von ihnen und der Verkäufer, der sein wild gewordenes Cart stoppen wollte, erlitten Verletzungen und mussten behandelt werden, zwei davon wurden ins Krankenhaus gebracht.

Mickelson und die Möwe im Score

Zum Schluss: Möwen klauen nicht nur Fischbrötchen, sie mögen auch Golfbälle. Und so hatte Phil Mickelson am Ende seiner zweiten Runde nicht nur vier Birdies, sondern auch eine Möwe auf der Scorekarte. Auf Loch zehn nämlich interessierte sich einer der „Jonathans“ derart eingehend für „Leftys“ Ball, dass die Kugel anschließend mit einigem Hin und Her und unter Zuhilfenahme der TV-Bilder in die ungefähre ursprüngliche Lage gelegt werden musste – straflos, gemäß Regel 9.6 („Ball durch äußeren Einfluss aufgenommen oder bewegt“).

Auch andere hatten ihre liebe Müh‘ und Not mit den vorwitzigen Möwen:


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