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An „Media-Mogul“ Mickelson: Danke fürs Kasperltheater, jetzt bitte wieder Golf!

07. Jan. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Phil Mickelson ernannte sich bereits selbst zum Sieger des Player Impact Programs. (Foto: Getty)

Phil Mickelson ernannte sich bereits selbst zum Sieger des Player Impact Programs. (Foto: Getty)

Vergessen Sie einfach mal alles, was Sie bislang über Golf zu wissen glaubten: Seit 2021 heißen die neuen Majors dieses alten Spiels Google, Meltwater, MVP Index, Nielsen, Q-Rating. Ja, fünf, wie bei den Damen. Oder bei den Ü50-Altmeistern. Die neue Weltordnung im Golf richtet sich nicht mehr nach Schlagfertigkeit und Spielstrategie, nach Kurs-und Mental-Management, sondern nach virtuellen Birdies und Eagles, nach Klicks und Algorithmen, nach Präsenz und Platzierung in der öffentlichen Wahrnehmung.

Narzisstische Notizen hier, polemische Postings da

Acht von insgesamt 40 Millionen Dollar – künftig zehn von 50 – gibt’s für den Primus des Player Impact Program (PIP) der PGA Tour. Für den also, der am volltönendsten auf der Klaviatur der sozialen Medien klimpert: ein paar narzisstische Notizen hier, ein paar ambivalente Anmerkungen da, ein paar polemische Postings dort. Was sind dagegen die ollen Majors aus den Tagen vor der Aufmerksamkeits-Apokalypse: Masters, PGA Championship, US Open und Open Championship bringen in Summe bestenfalls 8,55 Millionen ein, dafür muss man sie freilich allesamt gewinnen.

„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“

Die PIP-Prämie hingegen lässt sich bequem vom heimischen Sofa aus einsacken, ohne Reisestress, Corona bedingte Unbilden oder kilometerlange Fußmärsche über irgendwelche Wiesen, das Ganze noch mit ungewissem Ausgang. Zudem: Die Reaktion der momentsgierigen Masse folgt prompt, so was wird garantiert goutiert. Der Mensch 4.0 lässt sich halt gern entertainen, am liebsten ohne eigenes Zutun. Wie beim Unfall-Gaffen auf der Autobahn. Er hält inne und schaut hin, vergibt Likes, teilt, retweetet, gibt seinen Senf dazu. Frei nach Karl Valentin, von jeher mehr Weiser denn Komiker: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“

Hauptsache, der schöne Schein ist gewahrt. Und inszeniert

Und der größte Impresario auf diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten heißt angeblich Phil Mickelson, jedenfalls hat er sich vergangene Woche vorab – vielleicht sogar vorzeitig – selbst zum Prämien-Preisträger Nummer ein erklärt. Der 51-Jährige ist erst seit 2018 in den sozialen Medien aktiv, beherrscht die Popularitäts-Partitur indes perfekt. Auf den Fairways und Grüns der PGA Tour hingegen lief’s im vergangenen Jahr eher suboptimal: 23 Starts, neun verpasste Cuts, ein Top-Ten-Ergebnis – nämlich die PGA Championship, mit der sich Mickelson immerhin zum ältesten Majorsieger aller Zeiten machte. Mehr war’s nicht. Muss ja auch nicht. Hauptsache, der schöne Schein ist gewahrt. Und inszeniert.

„Wenn Phil Mickelson spricht – oder twittert – lohnt es sich oft, genauer hinzuschauen“, befand „Golf.com“ dieser Tage: „Sagt er etwas, weil er es so meint? Weil ihn das Gespräch amüsiert? Oder sieht er einfach nur das Potenzial für einen massiven wirtschaftlichen Vorteil?“

„Calves“, Kiawah Island und Kaffee

Zu „Leftys“ Libretto gehören die Darstellung seiner monströsen Waden ebenso wie Diättips und Daumen-hoch-Pose, Ausflüge zum College-Football, Kaffee- und Sonnenbrillenwerbung, Tanzeinlagen, rüde Kritik an den Golf-Institutionen oder Beifall für Multiunternehmer Elon Musk. Er schlachtet sich und seine fraglos beeindruckende Neuerfindung samt Verschlankung und dazugehöriger Fitness sowie den Coup von Kiawah Island in müffeliger Manieriertheit aus, hat ohnehin zu allem und zu jedem was zu sagen.

So schafft es Mickelson womöglich tatsächlich zum (Social-)„Media-Mogul“ des Jahres 2021. Allemal einträglicher als die „lediglich“ 2,7 Millionen Dollar, die er vergangene Saison auf dem regulären Circuit gewonnen hat. Doch die Masche ist ebenso dubios wie durchsichtig.

Scheinheilige Frage nach Omikron

Als Beleg mag eines seiner jüngsten Twitter-Topics dienen, in dem er sich scheinheilig („Ich bin ja kein Doktor“) über die Omikron-Coronavariante erkundigt. Er hätte auch einfach seinen Hausarzt, die Mediziner der Tour oder den Turnier-Doc beim Tournament of Champions auf Hawaii fragen können, doch das ist halt in Sachen Clickbaiting nicht sonderlich gewinnbringend. Auf seinen Tweet hingegen antworteten über 6.000 Menschen, es gab mehr als 11.000 Retweets und rund 56.000 Likes. So macht man das. Oder wie Mickelson in einer Antwort an den zumeist wirklich witzigen eigentlichen Twitter-King Max Homa freimütig bekannte:

PIP kassieren, Saudi International dennoch spielen

Um der Farce endgültig die Krone aufzusetzen: Mickelson kassiert den Löwenanteil des Bonus-Boosters, der die Tour-Stars eigentlich von den unmoralischen Angeboten der Saudis und ihren disruptiven Gegen-Touren abhalten soll; er willigt in die Begleit-Bedingung eines Starts bei einem lange nicht mehr absolvierten Turnier ein, spielt deswegen das Tournament of Champions, wo’s keinen Cut und somit garantiert ein Stück vom Preisgeldkuchen gibt – und tritt dann trotzdem für eine Schubkarre voll Schotter als Antrittsgage im Februar beim eigentlich verpönten Saudi International an. Was für eine augenfällige Absurdität. Der Schuss geht für die PGA Tour aber mal so richtig nach hinten los.

Das bescheidene Dasein des Dustin Johnson

Noch’n Gedanke: Wie soll eigentlich dieses Player Impact Program einen wie Dustin Johnson von den bis zum Überlaufen gefüllten Trögen einer Premium oder Super Golf League oder bloß eines Saudi International fern halten, wo der doch in den sozialen Medien ein eher bescheidenes Dasein führt und allenfalls durch die Exzentrik seiner Paulina Gretzky oder Fotos von Thanksgiving-Partys mit Donald und Melania Trump auffällt, auf die man ohnehin gut verzichten könnte?

Besser Schläger schwingen als Tastaturen bedienen

Dann doch lieber eine Herbsttournee der Tour, die ja bereits angedacht ist, und bei die Stars gegen Antrittshonorare und Auftrittsgagen durch die Welt tingeln wie die Basketballer der Harlem Globetrotters, jedoch wenigstens die Schläger schwingen statt Tastaturen zu bedienen. Kurz: Mickelson, das Brooks-Bryson-Ballyhoo und der gesamte PIP-Popanz haben uns trefflich unterhalten: Danke fürs Kasperltheater, jetzt bitte wieder Golf!

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