Wer in diesen Tagen Golfnachrichten liest, dem fliegen die starken Vokabeln nur so um die Ohren: Von Fusionen oder mindestens Allianzen ist die Rede, der Begriff historisch wird geradezu inflationär benutzt, besonderes beliebt ist die Metapher von der veränderten globalen Golflandschaft, gern versehen mit dem Zusatz dramatisch. Und nach den Herren sind jetzt auch die Damen dran: LET und LPGA wollen ebenfalls ihre kommerziellen Kräfte in einem profitorientierten Unternehmen bündeln.
Strukturänderungen mit Wiedererkennungswert
LPGA-Commissioner Mollie Marcoux Samaan hat bei ihrer Pressekonferenz im Vorfeld des Saisonfinales CME Group Tour Championship bestätigt, was die Spatzen längst von den Dächern pfeifen: Die Vorstände der beiden Touren haben dem Plan bereits zugestimmt, der in vielen Aspekten an die Strukturverschiebungen und Umwälzungen im Profigolf der Herren erinnert. Nur das Plazet der LET-Mitglieder fehlt noch, sprich der Spielerinnen.
1,25 Millionen Dollar als Apanage
Die bekamen zur Entscheidungsfindung am 3. November ein Memo mit den Details des Deals. Demnach soll die LET ihre gesamten Vermögenswerte, inklusive des geistigen Eigentums, also der Rechte und Lizenzen, in eine separate Firma verschieben. Besagte Ladies European Golf Venture Limited (LEGV) existiert bereits seit 2019, gegründet und betrieben von der LPGA nach der damals geschlossenen strategischen Allianz mit der LET, die den siechen, in einem ausgezehrten und an Frauengolf eh wenig interessierten Markt am wirtschaftlichen Abgrund taumelnden europäischen Damencircuit vor dem Ableben bewahrt hat. Im Gegenzug garantiert die LPGA sozusagen als Apanage, dass der LET jährlich 1,25 Millionen Dollar „für Turnierpreisgelder, Fernsehen, Spielerunterstützung und Wachstum“zur Verfügung stehen, so Marcoux Samaan.
Neues Ökosystem für Damengolf geschaffen
Die einstige Sportdirektorin der Stanford University betreibt seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2021 mit Nachdruck eine Fortschreibung des vor vier Jahren vereinbarten Schulterschlusses. „Das Ziel der Zusammenarbeit war, ein gemeinsames Ökosystem zu schaffen und das professionelle Damengolf in Europa aufzubauen – mit Erfolg“, sagte sie im Tiburón Golf Club in Naples/Florida. Seither hat die LET das jährliche Turnierangebot verdoppeln und die per anno ausgeschriebene Börse von 11,5 auf heuer 35 Millionen Euro aufpumpen können.
LPGA: 116,5 Millionen Dollar Preisgeld in 2024
Jetzt soll die Verbindung – und die Abhängigkeit der LET – noch enger werden. Das Pfund, mit dem die LPGA wuchern kann, ist ihr Fundus an Sponsoren und der breite Spielraum an Vermarktungsmöglichkeiten dank des global wirkenden Star-Appeal der Tour. Die mit der LET geteilte Aramco Team Series ist nur ein Beispiel. Und das für 2024 nochmal um 15,2 auf insgesamt 116,5 Millionen Dollar gestiegene Saisonpreisgeld ein gewichtiges Argument für den Anspruch: Überlasst das mit dem Business mal getrost uns!
LPGA-Tourkarten für Top-Spielerinnen der LET
Die LEGV-Partnerschaft ist vorerst auf drei Jahre befristet. Und die LPGA hat alle Karten in der Hand. Ab 2024 soll es pro Saison 30 oder mehr Turniere unter der LET-Flagge geben, vornehmlich in Europa, die jeweils mit mindestens 300.000 Dollar dotiert sind und von co-sanktionierten Events flankiert werden. Die vier besten Spielerinnen der Order of Merit, die noch nicht für die LPGA spielberechtigt sind, erhalten am Saisonende ein Ticket für die US-Tour; weitere Top-15 erhalten Zugang zur LPGA Q Series ein.
LPGA hat letztlich das Sagen
LET-Chefin Alexandra Armas und ihr Team im englischen Buckinghamshire dürfen den Spielplan organisieren, doch es wacht darüber eine neunköpfige Kommission, die paritätisch mit jeweils vier Delegierten von LET und LPGA besetzt ist, in der Marcoux Samaan allerdings mit ihrer Stimme jederzeit eine LPGA-Majorität herstellen kann. Im Memo heißt es: Das LET Komitee werde „Ratschläge und Richtlinien für die Geschäfte der Tour geben und Empfehlungen für den Betrieb der Tour aussprechen“. Ebenso nicht zu überlesen freilich ist der Klammersatz „(Solche Empfehlungen werden vom LPGA-Vorstand gebührend berücksichtigt).“
Endgültige Fusion dann für 2028?
Nach der Saison 2027 dürfte es dann zur tatsächlichen, zur echten Fusion kommen. Vulgo: Die LPGA verleibt sich die LET endgültig ein. Im Memo liest sich das etwas euphemistischer. „Die LPGA hat die Freiheit, ihre bevorzugte Führungsstruktur in Bezug auf die LET zu bestimmen“, heißt es dort. Außerdem: Der LPGA-Vorstand beabsichtigte, seine Zusammensetzung mit Vorstand mit Vertretern aus Europa zu diversifizieren und „die Struktur des Spielerrats und des LET-Komitees so lange beizubehalten, wie die LPGA sie für effektiv und angemessen hält, um die Tour zu unterstützen“.
So überzuckert man bittere, wiewohl unabdingbare Pillen. Für Damen wie für die Herren gilt in dieser globalen Sportwelt, frei nach dem Highlander: „Es kann nur einen geben.“ Beziehungsweise eine.
Der Vorstandsempfehlung nicht gefolgt
Alldem sollten die LET-Spielerinnen am Dienstag dieser Woche beim Jahrestreffen im Vorfeld des Saisonfinales Andalucia Costa Del Sol Open De España ihren Segen erteilen; ein Ja-Anteil von 60 Prozent hätte gereicht. Es dürfte angesichts der hier zuvor dargestellten Details indes wenig verwundern, dass Céline Boutier und Co. dieser als „Beitritt zur LPGA-Organisation“ verbrämten freundlichen Übernahme trotz der entsprechenden Empfehlung des Vorstands erstmal das Plazet verweigert und die Abstimmung verschoben haben.
Was für „zusätzliche Informationen“?
„Aufgrund zusätzlicher Informationen, die kurz vor der Sitzung eingegangen sind, hat der LET-Vorstand beschlossen, die heutige Sitzung zu vertagen“, heißt es dazu etwas kryptisch in einem Statement der LPGA. Art und Inhalt der zusätzlichen Informationen wurden nicht erwähnt, stattdessen macht man gute Miene zum unwillkommenen Spiel: „Der LPGA-Vorstand unterstützt diese Entscheidung und ist weiterhin begeistert von der Möglichkeit, unsere beiden Organisationen zusammenzubringen.“ Fortsetzung folgt.