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Die Amoral hat obsiegt

09. Jun. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Yasir Al Rumayyan (Foto: Getty)

Yasir Al Rumayyan (Foto: Getty)

Autoren alter Schule wie der Verfasser pflegen den Brauch von – immerhin digitalen – Manuskriptsammlungen zu ihren Oberthemen. „Saudi-Arabien/LIV/Sportswashing“ trägt die als Titel, in der diese Zeilen entstehen. Sie umfasst inklusive Notizen und Quellenvermerken über 600.000 Zeichen. Samt polemischer Pikanterien wie „Moral versus Moneten“, „Herren mit Haltungsschäden“ oder „Operettenliga“. Der Konkurrenz-Circuit LIV Golf League wurde darin mehrfach für tot erklärt, und nun scheint er tatsächlich am Ende, wenngleich aus anderen Gründen. Man könnte das Kompendium also eigentlich mit einem letzten Satz schließen und dann mit dem Textfundus „PGA Tour/DP World Tour“ verschmelzen lassen: Die Amoral hat obsiegt.

Wenn du den Gegner nicht besiegen kannst …

Es ist ein Deal von lausiger Logik, den das Golf-Establishment in den vergangenen Wochen hinter erstaunlich dichten Türen mit dem Regime in Riad ausgekungelt hat. Die einen – Saudi-Arabien mit seinem über 600 Milliarden Dollar schweren Staatsfonds PIF – haben das Geld. Schier unerschöpfliches Geld. Die anderen – PGA Tour, DP World Tour und ihre Satelliten – haben die Kronjuwelen: eine weltweite Gemeinde, TV-Verträge, das System der Weltrangliste. Darauf stützt sich das in Teilen morbide System des Monopolisten wie Venedigs Prachtfassaden auf die Eichenpfähle in der Lagune. Wehe, wenn frische Luft die Haltbarkeit des Holzes bedroht.

 

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… dann verbünde dich mit ihm

Der Wind aus der Wüste rüttelte heftig an den Grundfesten des Golfbetriebs. Gleichwohl: LIV kriegt sein Franchisekonzept nicht an den Fan; die Saudis müssen ihr Konstrukt weiterhin alimentieren. Wen interessiert Peter Uihlein in einem 4Aces-Team, das zuvorderst aus Dustin Johnson, einem Unsympathen namens Patrick Reed und einem Unikum wie Pat Perez besteht? Eben: Golf wird von Personen geprägt. Die PGA Tour wiederum, das hat ihr Commissioner Jay Monahan stets betont, könne den Krieg gegen die Kohle auf Dauer nicht gewinnen. Für beide Seiten galt: Wenn du den Gegner nicht besiegen kannst, dann verbünde dich mit ihm.

Was schert mich mein Geschwätz von gestern

Folglich schlug die Stunde der Unterhändler. Jimmy Dunne und Ed Herlihy waren vergangenes Jahr genau deswegen in den Vorstand der Tour eingezogen. Als War-Time Deal. Als Kriegsminister und Feuerlöscher. Sie fühlten beim PIF-Direktor Yasir Al-Rumayyan vor, dem wahren Strippenzieher hinter LIV; der zeigte sich gesprächsbereit. Damit war die Bahn frei für Monahan, der den Karren mit seiner spielraumlos sturen Haltung zuvor in den Sand und festgefahren hatte und noch nach dem Malta-Meeting im Sommer 2021 von einem Treffen mit Al-Rumayyan nichts wissen wollte.

Indes, plötzlich galten Hölle und Verdammnis nicht mehr, die zuvor auf Usurpatoren und Kollaborateure herab beschworen worden waren. „Was schert mich mein Geschwätz von gestern!“: Rückgrat ist beim Schachern um Macht und Mammon halt eher hinderlich. Schlimm, dass ausgerechnet ein Ty wie Donald Trump sich bestätigt fühlt und frohlocken darf.

 

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Zur Klarstellung: Alle Welt redet zwar von einem Merger, doch es gibt keine Fusion. PGA Tour und Co. bleiben, wie sie sind; was aus der LIV-Liga wird, weiß niemand. Es wurde ein Pakt geschlossen. Besser lässt es sich nicht formulieren. Die neuen Freunde bündeln ihre wirtschaftlichen Interessen in einem noch unbenannten Unternehmen (Entity) – pikanterweise nicht zuletzt die Wort- und Bildrechte am sportlichen Geschehen und mithin an den Spielern, deretwegen Phil Mickelson Anfang des vergangenen Jahres so ein Fass aufgemacht und der Tour „widerliche Gier“ vorgeworfen hatte. Monahan soll zwar als CEO am Ruder stehen, den Kurs freilich sagt bekanntlich der Kapitän an. Und der heißt wieder Al-Rumayyan. Wer die Musik bezahlt, bestimmt nun mal, was gespielt wird.

Ein Moloch von ganz anderer Wirkmacht

Damit sind die Saudis „next level“ bei ihrer Golfversion von Game of Thrones, das ohnehin nur ein Mosaikstein in den geopolitischen und weltwirtschaftlichen Ambitionen ist. Die LIV-Liga hat den Lockruf des Gelds bereits offiziell eingestellt, der Weiße Wanderer Hai Norman hat seine Schuldigkeit getan und stand garantiert zur Disposition, weil sich mit ihm niemand an den Tischen setzen will. Der Australier ist mit seinen umstürzlerischen Umtrieben erneut gescheitert. Wie in den 1990er-Jahren. Demnächst erhebt sich aus der LIV-Asche ein Moloch von ganz andere Wirkmacht. Und Eiskönig Al-Rumayyan hat die wichtigsten Widerstandskämpfer des Establishments im Griff. Der erste Drache war gar kein Gegner: Jack Nicklaus, ohnehin Republikaner und Trumpist, fiel direkt um und lobte den Deal eilfertig als „Good for the Game“; kurz zuvor hatte er in Sachen LIV’ler noch posaunt: „Ich betrachte diese Jungs nicht mehr als Teil des Spiels.“

„Friendly Fire“ für den zweiten Drachen

Der zweite Drache geriet ins Friendly Fire und wurde vom eigenen Feldherren „für eine Handvoll Dollar mehr“ rücksichtslos abgeschossen, nachdem er fast zwei Jahre als erster Paladin der PGA Tour und Monahans Schutzschild jede Menge einstecken musste und sich an die eigenen sportlichen und mentalen Grenzen hatte treiben lassen. Rory McIlroy fühlt sich zu Recht „ein bisschen als Opferlamm“, wie er bei seinem Mediengespräch als Titelverteidiger der Canadian Open bekannte, und übte sich dennoch in der Akzeptanz des Unvermeidlichen: „Ob es einem gefällt oder nicht, der PIF wird weiterhin Geld in den Golfsport pumpen. Würden Sie einen der größten Staatsfonds der Welt also lieber als Partner oder als Feind haben?“

„Money talks“

Bleibt abzuwarten, wann der dritte, der wirklich große Drache reagiert. Tiger Woods hat sich bislang noch nicht geäußert. Doch der GOAT weiß ebenfalls sehr genau, was Kumpel und Geschäftspartner „Rors“ in zwei Worten konstatiert: „Money talks.“

Wie ambivalent die ganze Angelegenheit ist, zeigt sich daran, dass McIlroy andererseits stets einer Weltliga das Wort geredet hat. Mit der Finanzkraft des Fonds und den Fantasmagorien von Saudi-Kronprinz Mohammed bin Salman als Rumayyans Herr und Meister hat die neue Entität alles, was vonnöten ist.

Strafferer Kalender, näher an Großstädte

Die Landkarte nimmt bereits schemenhaft Gestalt an. Und das durchaus zum Vorteil der DP World Tour. So sprach beispielsweise Turnierdirektor Dirk Glittenberg bei seiner Bilanz der Porsche European Open 2023 am vergangenen Sonntag von einer neuen Strategie in Virginia Water, gar von einem neuen System, und spekulierte über eine Straffung künftiger Kalender mit einer Konzentration der Turniere im Einzugsgebiet von Großstädten. Europa-Tour-Chef Keith Pelley äußerte sich am Ende seines kurzen Gesprächs mit Golf Post beim Stichwort Verlust von Stars gleichermaßen durch die Blume zu erwartbaren Entwicklungen, die den Fans gefallen würden. Im Licht der jüngsten Entwicklungen ergeben derlei kryptische Kommentare mit einem Mal Sinn. Das gesamte Bild soll Mitte Juli bei der Scottish Open ausgerollt werden.

Gute Gründe für Green Eagle

Vor diesem Hintergrund spricht eine Menge für die Green Eagle Golf Courses, wo Eigentümer Michael Blesch seit Jahren an einem stabilen Standort für die DP World Tour zimmert und mit dem werdenden West Course seinen Traum vom Ryder Cup 2035 verfolgt. Sehr zum Wohlgefallen von Pelley übrigens, wie nicht zuletzt am linken Rand dieses Schnappschusses zu sehen ist:

 

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Die Entwicklung dürfte überdies hilfreich für die Gespräche mit dem bisherigen Haupt- und Titelsponsor Porsche sein, die laut Aussage von Glittenberg und von Markus Rothermel als Pressesprecher Sportkommunikation der Porsche AG „in einem sehr konstruktiven“ beziehungsweise „engen Austausch“ geführt werden und einen Boost bekommen haben könnten. Zumindest ist Porsche-Markenbotschafter Paul Casey wieder Persona grata, wenn alle LIV-Überläufer demnächst unter Generalamnestie fallen. Und Martin Kaymer kann schon mal den Aufnahmeantrag für die erneute Mitgliedschaft bei der DP World Tour ausfüllen.

Al-Rumayyan braucht ein Bauernopfer

Übrigens, ob Monahan am Ende wirklich der CEO des neuen Machtapparats im Profigolf bleibt, sei mal dahin gestellt. Al-Rumayyan braucht ein Bauernopfer für die Spieler, die sich von ihrem Commissioner betrogen und verraten fühlen. Ein Neustart muss her, so will es das Gesetz der Gewinner. Für alle Animositäten der jüngeren Vergangenheit gilt jetzt: Schwamm drüber. Damit wird demnächst womöglich der „Commish“ gleich mit vom Tisch gewischt. By the way, was macht eigentlich Mark King, der bestens vernetzte Ex-TaylorMade-CEO, der schon mal als Norman-Nachfolger gehandelt worden war? Und wie geht’s Andrew Gardiner, der mit seiner Premier Golf League in der Versenkung verschwunden ist, seitdem LIV ihm das Konzept geklaut hat? Bloß mal gefragt.

Kompensation für tourtreue Spieler

Den Rest regelt das Geld. Die tourtreuen Spieler, die allen Offerten widerstanden haben, sehen sich gerade einer abfällig wirkenden Anteilnahme, einem vergifteten Mitleid von Penunzen-Parvenüs wie Bryson DeChambeau ausgesetzt, die bei der Konkurrenz ordentlich Kasse gemacht haben und sich nun mit vollgestopften Taschen wieder ins Nest kuscheln dürfen.


„Ich leide mit den Jungs auf der PGA Tour. Bei ihnen ist gerade anderes passiert, als versprochen worden war. Bei uns hingegen hat sich alles bewahrheitet. Meiner Ansicht nach stinkt die Sache ein wenig zum Himmel, wenn die PGA-Tour-Spieler nicht auch was gewinnen. Ich hoffe, dass ein Weg gefunden wird, um sicherzustellen, dass sie auf die gleiche Weise geschätzt werden wie wir bei LIV.“

Bryson DeChambeau bei CNN


Immerhin sollen Woods, McIlroy, Hideki Matsuyama, Rickie Fowler und Co. laut Monahan alsbald für ihre Standhaftigkeit entschädigt werden. McIlroy hat das bestätigt: „Diesbezüglich wird auf jeden Fall was passieren.“ Nur das Wie ist noch zu definieren. „Ich glaube, dass die von uns getroffene Entscheidung [die Kooperation mit dem PIF] für alle Spieler von Vorteil ist. Dennoch muss die Loyalität einer Führungskraft besonders belohnt werden“, moralisierte Monahan. „Das treibt mich um und damit werde ich mich nun ausführlich beschäftigen.“ Tja, Money talks. Auch bei Trostpflastern. Gibt’s eigentlich einen Devisenkurs für Haltung? Anstand ist jedenfalls seit langem keine Währung mehr.

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