Panorama

Quo vadis Golf: Erfolgsmodell Gamification eröffnet dem Sport virtuelle Welten

16. Nov. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Die Toptracer-Anlage der Heitlinger Genusswelten. (Foto: Heitlinger Genusswelten)

Die Toptracer-Anlage der Heitlinger Genusswelten. (Foto: Heitlinger Genusswelten)

Anzeigen wie diese tragen dazu bei, dass Golf Post kostenlos bleibt. Anzeigen entfernen

Das Zählwerk auf der Homepage von Toptracer arbeitet unermüdlich. Während diese Zeilen erscheinen, tickt die Ziffernfolge der 2,7-Milliarden-Marke entgegen. So viele Bälle sind in diesem Jahr bereits in aller Welt auf Anlagen mit der Toptracer-Technologie geschlagen worden. Das Stichwort lautet Gamification, es steht für die Verbindung eines ehrwürdigen, jahrhundertealten Spiels mit der digitalen Zukunft.

Von Analyse-Tools zu Entertainment-Elementen

Elektronische Trainingstools wie Toptracer und der Mitbewerber TrackMan haben sich zu Entertainment-Elementen gemausert, die längst mehr können als Analysedaten in Sachen Schwung und Schlag zu liefern. Sie bringen Spaß in die gelegentliche Tristesse einer Driving Range: Machen aus einer öden Abschlagbox das erste Tee des Old Course. Oder die Aussicht aufs Grün der berühmten Par-3-Sieben von Pebble Beach. Oder liefern Comic-Kulissen für die Kids. Man schlägt immer noch Bälle ins Nirgendwo einer Driving Range, doch die Technik verlegt den Ballflug in eine virtuelle Parallelwelt auf dem Monitor an jeder Matte, die per Touchscreen und App auf die schönsten Plätze des Globus führt.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Martin Borgmeier (@martinborgmeier)

Potenzial für Dynamik und Entwicklung des Golfsports

„Die Gamification war ein absolut notwendiger Schritt“, sagt Jens Westendarp, der das Potenzial „für die Dynamik und die Entwicklung des Golfsports“ schon vor etlichen Jahren erkannt hat und mit seiner Toptracer-Range im Pott Golf Club Schloss Horst in Gelsenkirchen eine Art Vorreiterrolle einnehmen wollte. Der Status der Pilotanlage allerdings gebührt GolfCity in Pulheim bei Köln, dort ließen Betreiber Alexander Freiherr von Spoercken und Geschäftsführer Hermann Bögle 2019 das erste Toptracer-System in Deutschland installieren. „Jede Anlage sollte das machen,“ plädiert Westendarp, „selbst wenn wir Älteren uns damit ein bisschen schwertun und denken, dass es mit ,unserem’ Golfsport nichts mehr zu tun hat.“

„Junge Leute ein bisschen besser abholen“

Klar bei der Zielgruppe denkt man zuerst an die Jugend. Zuvorderst den Nachwuchs adressiert auch Thomas Hasak, der Geschäftsführer des Bundesverbands Golfanlage (BVGA), wenn er sagt: „Wir müssen die jungen Leute mit der digitalen Welt im Golf ein bisschen besser abholen. Die virtuellen Möglichkeiten durch Toptracer oder TrackMan sind schon ein guter Weg dahin. Zumal in den aktuellen Freizeitaktivitäten der Kids überhaupt kein Sport in den Top Ten ist.“ Aber es gelte generell, „eine Balance zwischen Tradition und Moderne herzustellen, um das Spiel zeitgemäßer zu machen“, so Hasak.

TGL: Die Simulation wird sogar zur Stadionsause

Die Weichen sind gestellt. Allerorten rüsten die Anlagen auf und um – egal, ob mit den „Wunderkisten“ von Toptracer oder von Trackman. Topgolf eröffnet eine Standort nach dem anderen und ist mit Oberhausen auch in Deutschland vertreten. Tiger Woods und Rory McIlroy machen ab 2024 mit ihrer Tomorrow Golf League aus der Simulation sogar eine Stadionsause. Und die Golf-Post-Community startet heute im GC München Eichenried in die zweite Saison der Winter Trophy, nachdem die digitale Debütjahr 2021/2022 so großen Zuspruch erfahren hatte.

Renaissance von Indoor-Golf

Gamification ist ein Erfolgsmodell geworden, lockt die moderne Freizeitgesellschaft in zunehmendem Maße hinterm elektronischen Ofen vor – und mittelfristig hoffentlich auf die Plätze. Nicht zuletzt geht damit gleichermaßen eine Renaissance des Indoor-Golf einher, das als mediokre Imitationen der golferischen Realität schon mal fast totgesagt war, dank der nahezu perfekten Simulation von Sehnsuchtsorten indes fröhliche Urständ feiert. „Klar“, gibt Jens Westendarp zu, „indoor hast du ein besseres, größeres und realitätsnaheres Bild, wenn du gegen die Leinwand ballerst, und tauchst mehr in den angezeigten Platz ein. Auf der Range wird das jedoch durch den echten Ballflug kompensiert – und von einer gestochen scharfen Grafik auf dem Schirm ergänzt.“

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Erik Anders Lang (@erikanderslang)

Heterogene digitale Golf-Gesellschaft

Nicht nur auf seiner Driving Range in Schloss Horst „haben die Mitglieder das super angenommen. Sie finden es cool und kurzweilig – selbst die Senioren“, muss sich Westendarp schmunzelnd widersprechen: „Es schlagen Leute Bälle, die die Range vorher eher gemieden und am liebsten direkt auf den Platz gegangen sind.“ In den zehn Boxen der Gelsenkirchener TopTracer-Range trifft sich mittlerweile eine Golf-Gesellschaft, die „heterogener nicht sein könnte“ (Westendarp): Damen und Herren, jung und alt, Anfänger und Fortgeschrittene. Daddeln auf der Driving Range sozusagen. In frischer Luft.

Am Anfang war der TV-Ärger

Dabei hatte sich Toptracer-Gründer Daniel Forsgren Ende der 1990er-Jahre eigentlich bloß geärgert, dass er bei TV-Übertragungen großer Golfturniere oft den Ball nicht sehen, sprich den Ballflug nicht verfolgen konnte. Also tüftelte der schwedische IT-Fachmanne an einer neuartigen Kamera, deren Sensoren den Ball in der Luft erfassten und an einen Computer übermittelten, um die Flugbahn grafisch sichtbar zu machen und die „ballistischen“ Daten zu erfassen. 2003 debütierte ein Prototyp, 2006 gründete Forsgren die Firma Protracer: PGA Tour, European Tour und die TV-Anstalten waren begeistert und rannten ihm die Bude ein. 2016 schließlich engagierte sich die TopGolf Entertainment Group in Forsgrens Unternehmung – aus Protracer wurde Toptracer.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Toptracer (@toptracer)

„Spaß ergibt sinnvolles Training“

Und was unsereins am Fernseher so toll findet, wenn Rory McIlroy eine Murmel in den Himmel feuert und die Technik dem Geschoss einen sichtbaren „Schweif“ verpasst, hilft nicht zuletzt auch beim eigenen Spiel. „Das Bälleschlagen auf der Range ist nicht mehr so langweilig“, sagt Jens Westendarp, der mit dem Golf Club Oberhausen eine zweite Anlage in unmittelbarer Nachbarschaft von TopGolf betreibt. „Wenn du einen Platz spielst, selbst virtuell, dann ist halt jeder Schlag ein anderer. Wo du normalerweise mit dem Siebener-Eisen 20 Schläge hintereinander machst, ist jetzt jeder Schlag wirklich konzentriert und was wert, denn du willst ja das vom Bildschirm angezeigte Fairway oder Grün treffen. Das macht den Leuten Spaß, und durch den Spaß ergibt sich ein sinnvolles Training.“

Fazit: Gamification ist eine zeitgemäße Variante für das zeitloses Spiel. Golf-Faszination in Bits und Bytes.

Anzeigen wie diese tragen dazu bei, dass Golf Post kostenlos bleibt. Anzeigen entfernen
Anzeigen wie diese tragen dazu bei, dass Golf Post kostenlos bleibt. Anzeigen entfernen

Feedback