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„Schurke“ Bryson DeChambeau wird zum Problem fürs US-Ryder-Cup-Team

11. Aug. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Bryson DeChambeau: Vom Individualisten zur Diva mit langer Liste an Auffälligkeiten. (Foto: Getty)

Bryson DeChambeau: Vom Individualisten zur Diva mit langer Liste an Auffälligkeiten. (Foto: Getty)

Irgendwann vor nicht allzulanger Zeit gab es auf Instagram eine Fotomontage, die Patrick Reed zeigte, der den Staffelstab von „Golf’s Greatest Villain“, dem größten Schurken des Spiels, an Bryson DeChambeau übergibt. Das war sicher übertrieben. Reed fällt gelegentlich als Schummler auf und hat diesbezüglich von jeher einen schlechten Leumund; DeChambeau hingegen ist zuvorderst eigenwillig und exzentrisch – allerdings ganz gewiss auch die schillerndste und signifikanteste Figur, die der Golfsport derzeit zu bieten hat. Tiger Woods fällt ja bekanntlich aus.

Anti-Held mit Extravaganzen

Marketingexperten reiben sich die Hände: Der 27-Jährige aus Dallas schafft es mit seinen Extravaganzen immer wieder in die Mainstream-Medien und lockt die Fans an die Fairways. Er ist zwar kein Schurke, aber mindestens der Anti-Held. „Es ist irre, wie einer gleichzeitig so beliebt und verhasst sein kann“, brachte es ein Zuschauer am Rand des WGC-FedEx St. Jude Invitational auf den Punkt: „Doch selbst Leute, die ihn nicht leiden können, schauen ihm fasziniert zu.“ Man will ihn – je nach Partei – schimmern oder scheitern sehen, das sind unverkennbare Parallelen.

 Polarisierend wie Tiger Woods

„BDC“ polarisiert wie vor ihm in diesem Jahrtausend nur Woods; er erfüllt die Sehnsucht der Öffentlichkeit nach skurrilen Typen, nach Reibungspunkten für die Fankultur, die „Nice Guys“ wie Rory McIlroy oder Jordan Spieth nicht „bedienen“ können.

Doch anders als Tiger, der in seinen Hoch-Zeiten von der Einsamkeit des Ausnahmeathleten umweht war und sich verschlossen, gar abweisend, über den Dingen schwebend gab, ist DeChambeau extrovertiert und exaltiert. Jedenfalls, wenn es ihm in den Kram passt. Für viele freilich entwickelt er sich mit seinen Ambivalenzen und Absonderlichkeiten allmählich eher zum Albtraum.

Nicht mehr spleenig, sondern überkandidelt

Denn längst ist eine Art Diva aus dem Golfer geworden, der einst allenfalls wegen seiner gleichlangen Eisenschläger und der wissenschaftlichen Herangehensweise ans Spiel Schlagzeilen machte. Seit seiner Transformation zum „Hulk mit dem Holz“ zelebriert DeChambeau sich und sein Verständnis vom Golf auf manchmal fast unangenehme Art, wirkt mit seinen Dogmen nicht mehr individuell und interessant-spleenig, sondern überkandidelt und abgehoben.

Von Augusta-„Bashing“ …

Die Liste der Auf- und auch Ausfälligkeiten ist lang und wird länger: das vollmundige Versprechen, Augusta National zu einem Par-67-„Plätzchen“ degradieren zu wollen, was mächtig in die Hose ging; seine Selbstbeweihräucherung in Sachen erreichbarer Grüns, die er ankündigt wie Kirmes-Kuriositäten; die Fehde mit Brooks Koepka, die er nach Darstellung des Opponenten selbst erst richtig befeuert haben soll; das Ansinnen, „dank heutiger Technologie 130 oder 140 Jahre alt“ werden zu wollen …

… bis Schwächen beim Prozentrechnen

Der US-Open-Champion von 2020 schwadroniert und lamentiert; verweigert Pressekonferenzen, selbst wenn der Turniersponsor gleichermaßen ein persönlicher ist, oder blafft Kameramänner an, weil er sich nach Bunkerbefreiungen oder Rough-Hackereien beobachtet, unvorteilhaft in Szene gesetzt und gar in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt. Er brüskiert seinen Ausrüster, wenn er coram publico den Driver verunglimpft und erbost Kollegen, weil er sich für Slow Play rechtfertigt sowie ausbleibende „Fore!“-Rufe bei abseitigen Abschlägen in widerlegbare prozentuale Relation setzt.

Outing als Impfgegner

Schließlich outete sich „BDC“ während des WGC-Turniers in Memphis noch als Impfgegner, nachdem er Olympia wegen eines auffälligen Covid-19-Tests verpasst hatte – und das mit fadenscheinigen Ausreden: „Ich brauche die Impfung nicht. Die sollte besser jemand bekommen, der sie nötiger hat“. Ja, DeChambeau ist jung, gesund und gut in Schuss, wie er für sich reklamiert. Andererseits sind Impfstoffe in den USA laut US-Gesundheitsministerium längst keine Mangelware mehr und mittlerweile 165,6 Millionen Amerikaner vollständig geimpft.

Damit ist der Hinweis obsolet, keinem etwas weg nehmen zu wollen, „solange Impfstoffe noch nicht allgemein verfügbar sind“. Mehr noch: Nach Angaben der zuständigen Behörde „Centers for Disease Control and Prevention“ entfallen in den USA mittlerweile 90 Prozent aller Corona-Fälle und 95 Prozent aller wegen Covid-19 hospitalisierten Personen auf die Gruppe der Ungeimpften.

Abfrage von Impfstatus und Impfbereitschaft

Und so könnte der aktuelle Weltranglisten-Sechste durchaus zum Problemfall für das amerikanische Ryder-Cup-Team werden. Während sich Collin Morikawa gerade als Erster der US-Punkteliste offiziell fürs „Stars&Stripes“-Trikot und das Heimspiel in sechs Wochen in Whistling Straits qualifiziert hat, lösten DeChambeaus Bemerkungen hinter den Kulissen der zuständigen PGA of America hektische Aktivitäten aus.

Wie „Golfweek“ berichtete, sollen hochrangige Verbandsvertreter und sogar Kapitän Steve Stricker selbst alle potenziellen Kandidaten fürs Kontinentalteam angerufen und sich nach Impfstatus bzw. Impfbereitschaft erkundigt haben. „Wir müssen wissen, ob wir uns nur wegen Bryson Gedanken machen müssen oder wegen der halben Mannschaft“, zitiert „Golfweek“ eine Quelle innerhalb der PGA of America.

Wie geht die PGA of America mit „Widerständlern“ um?

Immerhin gilt das Sheboygan County in Wisconsin, wo nächsten Monat Tausende von Zuschauern zum 43. Duell zwischen den USA und der Equipe aus der alten Welt erwartet werden, als Hoch-Inzidenzgebiet. Gemäß PGA Tour sind übrigens 70 Prozent ihrer Spieler und 90 Prozent der Caddies bereits geimpft; für mögliche Ryder-Cupper im Rest indes könnte es angesichts der zeitlichen Fristen bis zum völlig Schutz – zwei Wochen bei Johnson & Johnson, 42 Tage im Fall von Moderna – knapp werden.

Und sowieso darf man gespannt sein, wie die PGA of America sowie Skipper Stricker auf DeChambeaus Weigerung und eventuelle sonstige „Widerständler“ reagieren.

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