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Spieth und die Vergessenheit – Von Golfern, die ihr Spiel verloren haben

12. Feb. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

David Duval, Yani Tseng und Hunter Mahan. (Fotos: Getty)David Duval, Yani Tseng und Hunter Mahan. (Fotos: Getty)

David Duval, Yani Tseng und Hunter Mahan. (Fotos: Getty)

Jordan Spieth setzt Stein um Stein aufs Comeback in der Weltspitze. Mit der 65 zum Auftakt des Pebble Beach Pro-Am hat Amerikas einstiger „Golden Boy“ untermauert – um im Bild zu bleiben –, dass die famose 10-unter-Par-61 vom Samstag der Phoenix Open keine Eintagsfliege war. Und die weltweite Fangemeinde feiert den dreifachen Majorsieger aus Texas. Bloß Brandel Chamblee, die olle Spaßbremse, hat mal wieder was auszusetzen.

Nachhaltigkeit …

Der Ex-Tour-Pro, von Beruf Besserwisser für den „Golf Channel“, glaubt nicht an die Nachhaltigkeit des temporären Spieth-Spektakels. „Solange er vom Tee nicht signifikant besser wird, gibt es keinen Weg zurück – egal, was manche Leute glauben“, sagte Chamblee unter der Woche und adressierte damit die lediglich 41 Prozent an getroffenen Fairways (23 von 56) im TPC Scottsdale und den 130. Platz in Sachen Abschlags-Akkuratesse.

… oder Nirwana?

Während Spieth fest überzeugt ist, dass „meine Kompassnadel in die richtige Richtung zeigt“, träufelt TV-Experte Chamblee gehörig Wermut in den Freudenbecher. „Wenn er das mit dem Driver nicht in den Griff kriegt, ist er auf dem Weg in die Vergessenheit.“ Nirwana statt Nachhaltigkeit? Starker Tobak.

Chamblee wägt bei seinem Urteil Verletzungen gegen Verluste ab. Spieth müsse nicht mit einem gebrochenen Bein oder einem demolierten Rücken klarkommen wie Tiger Woods, sondern mit einem „gebrochenen Spiel“. Das erinnert an andere bekannte Namen, und Chamblee führt sie an: David Duval, Ian Baker-Finch, Ralph Guldahl. Ebenso gehören Trevor Immelmann, Lee Janzen oder Mike Weir irgendwie in diese Kategorie; Anthony Kim hingegen hat sich höchstpersönlich aus dem Spiel genommen …

Das Quäntchen Unterschied

Allen gemein ist, dass ihnen irgendwann dieses Quäntchen Unterschied zwischen einem mehr als guten und einem außergewöhnlichen Golfer mit dem Genius des wirklich Begnadeten abhanden gekommen ist. Ein Unterschied, der für Hobby-Golfende so wenig greifbar ist wie ein Regenbogen (samt dem sprichwörtlichen Goldtopf an seinem Ende). Den sogar die meisten Skratch-Golfer wohl nie erfassen dürften. Der so schwierig in Worte zu packen ist und ganz sicher nur wenig damit zu tun hat, „nach dem Rückschwung nicht mehr zu wissen, was ich da tue“ (Spieth).

Die mentale Marginalie

Es ist das magische Momentum – vom Tee, mit den Eisen, im kurzen Spiel, auf dem Grün –, das nur wenigen Auserwählten beschert ist. Und es ist vor allem jene mentale Marginalie, die mit Selbstvertrauen und Selbstsicherheit eigentlich ungenügend benannt wird. Wenn der besondere Funke erlischt, dann irren auch die Großen des Spiels herum wie verstörte Seelen auf der Suche nach sich selbst, nach ihrem Schwung und ihrem Spiel.

Spieth ist seit 2017, seit dem Gewinn der Open Championship von Royal Birkdale, auf diesem Trip und war in der Weltrangliste schon kurz vor der Dreistelligkeit, ehe ihn die Wiedergeburt in der Wüste von Arizona wieder auf den 62. Platz wuchtete.

Rory McIlroy fahndet übrigens seit 15 Monaten ebenfalls nach dem Touch, der den Ausschlag gibt. Der Nordire spielt immer noch besser als nahezu jeder andere auf diesem Globus, doch er scheint ebenfalls des Sieger-Gens verlustig gegangen zu sein, diesem Gold-Lack über der Golfer-DNA. Auf seinem Level ist der Grat zwischen Triumph und Tragik halt messerscharf …

David Duval

Ein paar großen Namen seien erwähnt, die nicht oder wenigstens noch nicht geschafft haben, „sich aus dem Loch wieder zu befreien, in das sie gestürzt sind“ (Chamblee). Zuvorderst natürlich David Duval. Der Profi aus Florida wurde als Gegenentwurf zu Woods gehandelt, er war im März 1999 Weltranglistenerster, schoss im selben Jahr in der Finalrunde der Bob Hope Chrysler Classic auf dem „PGA West“-Kurs von La Quinta eine 59, landete beim Masters zwei Mal auf Platz zwei und avancierte bei der Open Championship 2001 in Royal Lytham & St. Annes zum „Champion Golfer of the Year“.

Doch mit der Claret Jug kam der Absturz, „Double D“ konnte nicht mehr gewinnen. Trotz eines Zwischenhochs als „Runner up“ hinter Lucas Glover bei der US Open 2009 über Bethpage Black taumelte Duval unaufhaltsam in die sportliche Bedeutungslosigkeit. Die Gründe? Rücken-, Schulter- sowie Handgelenks-Überbelastung, persönliche Probleme, Schwindelanfälle wie sie später Jason Day durchleiden musste. Mittlerweile hat sich der heute 49-Jährige als Studio-Analyst beim „Golf Channel“ etabliert, seine Karriere indes nie offiziell beendet – er ist aktuell Nummer 1.829 der Welt.

Hunter Mahan

Hunter Mahan wurde in seinen Hoch-Zeiten gleichsam als potenzieller Majorsieger gehandelt. Der Kalifornier, dem Sponsor Ping zur Geburt von Tochter Zoe im Jahr 2013 zwei vergoldete und personalisierte Putter schenkte, war lange selbst ein heißes Eisen, gewann zwischen 2007 und 2014 sechs Mal auf der PGA Tour, verbuchte bei allen Grand-Slam-Turnieren Top-10-Platzierungen, spielte drei Ryder- und vier Presidents-Cup-Bewerbe. Mit dem Familienglück allerdings begann das golferische Pech. Mahan musste mehrfach auf die Korn Ferry Tour ausweichen, um seine Tour-Karte zu behalten; die frühere Nummer 4 (2012) ist derzeit 1.608. der Weltrangliste. „Ich bin Vater und Ehemann, und das hat Priorität”, hat er der Nachrichtenagentur „Associated Press“ vor geraumer Zeit erklärt. „Es ist nicht so einfach, sich auf beide Dinge zu fokussieren.“

Beim The American Express im Januar war das Dilemma aus nächster Nähe zu besichtigen. Mahan, den Tiger Woods ob seines konstanten Ballstriking im Scherz mal „langweilig“ genannt hat, ist meilenweit von seiner früheren Präzision entfernt, der 38-Jährige streut wie eine Gießkanne, wo er früher mit traumwandlerischer Sicherheit Fairways und Grüns getroffen hat. Mit Runden von 76 und 77 Schlägen (+9) machte er folgerichtig das runde Dutzend verfehlter Cuts in gut zwei Dutzend Starts seit Juli 2018 voll. Gestern immerhin startete er auf den Links von Pebble Beach stark und legte eine flotte 67 (-5) aufs grüne Parkett.

Yani Tseng

Auch Yani Tseng steht auf der „Vermisstenliste“. Seit fast 3.250 Tagen ist die Taiwanerin auf der LPGA Tour ohne Erfolg, seit über 660 Tagen hat sie es gleichwohl gar nicht versucht, sprich kein Turnier mehr bestritten. Aus der vormaligen 109-Wochen-Weltranglistenersten (2012) und fünffachen Majorsiegerin schon im Alter von 22 ist ein Nervenbündel mit Nummer 919 geworden: „Ich hatte die Kontrolle verloren: über mein Hirn, meinen Schwung, meinen Körper. Ich hatte kein Vertrauen mehr in mich und habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft ich aus Verzweiflung geheult habe“, erzählte sie neulich „Golfweek“.

Was Tseng derart aus der Bahn geworfen hat, sind äußere und innere Probleme gleichermaßen – Rückenbeschwerden, die bis ins linke Bein abstrahlten, zittriges Putten, Erwartungshaltung daheim in Taiwan, Erfolgsdruck und ungeahnter, unbewältigter Starrummel ebenso wie Sorgen um den greisen Vater. Auch im Negativen ist das Ganze stets mehr als die Summe seiner Teile. Beim „Gainbridge LPGA“ Ende Februar kehrt die dank Auszeit, Meditation und Selbstbesinnnung entschleunigte 32-Jährige auf die Wettkampfbühne zurück, will sich und allen beweisen, dass sie nach wie vor auf höchstem Niveau mithalten kann, will wieder „die wahre Yani“ sein.

Beispiel Henrik Stenson macht Hoffnung

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und es geht. Henrik Stenson hat‘s bewiesen: Der schwedische „Iceman“ besiegte vor 20 Jahren sein Driver-Yips – indem er aufs modifizierte Holz 3 umstieg. Was einfach klingt, ist freilich ein mühe- und schmerzvoller Prozess, im Wortsinn ein Geduldsspiel am Rand des Golf-Abgrunds. Möge der reflexhafte Räsonierer Chamblee im Fall von Jordan Spieth auf dem Irrweg sein.

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