PGA Tour

„Tiger-Gipfel“ in Wilmington: Hymnen auf Woods und Stillschweigen über Inhalte

18. Aug. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Tiger Woods erschien persönlich in Philadelphia.

Tiger Woods erschien persönlich in Philadelphia.

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Vor vielen Jahren, als Tiger Woods mit seinem kaputten Rücken am Ende schien und dem Golfsport die Galionsfigur abhanden zu kommen drohte, da sagte der damalige PGA-Tour-Commissioner Finchem mal, Tiger sei der Größte, keine Frage: „Aber niemand ist größer als das Spiel selbst.“ Damit lag er gründlich daneben. Was sich dieser Tage einmal mehr zeigt, in denen das Profi-Business einer Zerreißprobe sondergleichen ausgesetzt ist – hier das Establishment von PGA Tour und DP World Tour mit seinen bislang mühsam gepimpten krustigen Strukturen, dort LIV Golf und sein von den Milliarden des saudiarabischen Königshauses getragener Konkurrenz-Circuit.

„Er kam persönlich, weil ihm das Thema wirklich wichtig ist“

Also stieg die Lichtgestalt Woods am Dienstag aus dem Himmel herab, um die Reihen der Seinen hienieden auf Erden zu formieren. Im Wortsinn, denn er flog extra von Jupiter/Florida nach Philadelphia, um dann in einem Hotel in Wilmington höchstpersönlich am Meeting der tourtreuen Top-Spieler teilzunehmen, das während der Woche der BMW Championship angesetzt und von ihm mitinitiiert worden war. „Er kam, weil ihm das Thema wirklich wichtig ist; weil es um etwas geht, das er nicht per Zoom Call oder Telefonkonferenz behandeln wollte“, sagt der „jüngere Bruder“ und Best Buddie Justin Thomas.

Das rechtfertigt die etwas lyrisch-sakrale Umschreibung des Auftritts. Der 15-fache Majorsieger hat sich von LIV Golf distanziert; ja, er hat vor der Open Championship auch erklärt, dass Greg Normans Ambitionen seiner Ansicht nach nicht im besten Interesse des Spiels seien und dass er mit dem Verhalten der LIV-Überläufer nicht einverstanden sei, „weil sie mit Füßen treten, was sie erst groß gemacht hat“.

Unmut über Monahans „Kriegsführung“

Die „Kriegsführung“ indes hat man bislang „Commish“ Jay Monahan überlassen. Kritik und Reformanregungen gab es bislang vornehmlich hinter den Kulissen; Woods selbst hat etliche Gespräche erwähnt, in denen seiner Darstellung nach einiges ausgeräumt und anderes zu seiner Zufriedenheit in die Wege geleitet wurde.

Doch der Unmut ist mittlerweile vernehmlich: Rickie Fowler kritisiert die Tour und Instanzen wie R&A oder USGA dafür, trotz der „Absehbarkeit der Entwicklung nur zu reagieren, statt proaktiv zu handeln“; Mike Lorenzo-Vera bezichtigt Woods und Rory McIlroy, als Player Director im Tour-Vorstand so was wie der Truchsess des Establishments, nicht genug gegen LIV Golf zu tun, ihre „Wut über das Geschehen nicht deutlich genug zu zeigen.

„Zum Führer des Kreuzzugs gegen LIV gesalbt“

Daher war Woods’ Teilnahme an dem konspirativen Treffen von Wilmington, bei dem es nicht nur um den weiteren Umgang mit und Maßnahmen gegen LIV Golf ging, sondern gleichermaßen um die Zukunft der PGA Tour, ein bemerkenswerter Vorgang von erheblicher Tragweite. Das sieht die Gegenseite ebenso und spricht von einem „Tiger-Gipfel“: „Es scheint, als sei die Golflegende Tiger Woods nun zum Führer des Kreuzzugs gegen Greg Normans LIV Golf gesalbt worden“, höhnt das Portal „Asian Golf“, ein Sprachrohr der von Norman mit Geld aus Riad vereinnahmten Asian Tour. Ein bisschen Pfeifen im dunklen Wald?

Immerhin hat Woods an dem Meeting nicht nur einfach teilgenommen. „Es ist ganz offensichtlich, dass es einen Alpha-Typ gibt, wenn wir alle in einem Raum sind – und ich bin es nicht“, beschreibt Rory McIlroy die Bedeutsamkeit und den Einfluss von Tigers Präsenz. Eine Menge Prosa schwingt dabei mit: „Er ist der Held, zu dem wir alle aufgeschaut haben. Seine Stimme trägt weiter als die von jedem anderen im Golf. Wir sind ein Haufen guter Spieler, aber keiner von uns ist Tiger Woods.“

Justin Thomas „Letztlich zählt allein sein Plazet“

Selbst mit 46-Jahren, nach zahllosen Verletzungen und wundersamen Wiederauferstehungen, mit einem immer noch schiefen Gangbild und einer mehr als unsicheren sportlichen Zukunft ist der Superstar die Achse, um die sich das Universum des Golfsports dreht. Oder wie es der „kleine Bruder“ und Best Buddie Justin Thomas gestern formulierte: „Wenn Tiger eine Sache nicht unterstützt, dann ist diese Sache erstens keine gute Idee – und, zweitens, sie wird nicht funktionieren. Nichts gegen uns, aber letztlich zählt allein sein Plazet.“

 

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Das muss nicht jedem gefallen, im Profigolf ist es zu weiten Teilen nach wie vor schlichtweg Fakt. So, wie es seinerzeit bei Arnold Palmer war, auf dessen Wort jeder hörte und zählte. Beispielsweise als Greg Norman in den 1980er-Jahren zum ersten Mal seine Idee von einer Welttour einbringen wollte, der „King“ sich dagegen aussprach und die Kollegen dem folgten – weil es damals hieß: „Was für Arnie nicht gut ist, ist für uns nicht gut.“ Welch’ Duplizität der Ereignisse.

Einig darüber, wohin der Weg führen soll

Abgesehen von den Hymnen auf Woods haben die Teilnehmer Stillschweigen über den Verlauf des Treffens, die Gesprächspunkte, das Ergebnis und den Inhalt der Agenda vereinbart, die an „Commish“ Monahan übergeben werden soll. Es war lediglich von einem „guten, produktiven Meeting in hoher Solidarität“ die Rede. Was man halt so sagt, wenn man nichts sagen will.

McIlroy hat trotzdem ein bisschen rausgelassen. „Der Zweck unserer Zusammenkunft bestand vor allem darin, dass die maßgeblichen Spieler auf der PGA Tour sich in in ihrer Haltung und darüber einig sind, wohin der Weg führen soll. Diesbezüglich war es ein großartiges Meeting.“ Zudem sollte es seiner Meinung nach ein Hauptanliegen der Tour sein – auch als Antwort auf LIV Golf –, „die Top-Jungs öfter zusammenbringen als bisher“: „Ich spreche von allen in denselben Turnieren, alle in denselben Wochen.“

Den „Status-Turnieren“ fehlt es an Mythos

Da hat er einen Punkt. „Die PGA Tour hat eine arrogante Ader, die eine Meile lang ist. Woche für Woche kann das zur betäubenden Routine werden“, schrieb Michael Bamberger neulich fürs „FirePit Collective“. Mit der Preisgeld-Erhöhung für die „Status-Turniere“ im regullären Saisonkalender oder der Einführung der drei internationalen Events für die besten 50 des FedEx-Cup könnte es genau in die von McIlroy vorgeschlagene Richtung gehen.

Dennoch gibt es weiterhin ein anderes Manko. In Ponte Vedra Beach hat man gleichsam verabsäumt, besagten „Status-Turnieren“ – analog zu den Majors – einen Mythos zu verpassen, eine Legende und Legenden zu formen, die Tradition deutlicher heraus zu stellen. An all dem lässt sich mit entsprechender Kreativität und Kommunikation, mit Aktionen und Arrangements nämlich sehr wohl schrauben.

Mehr Preisgeld allein reicht nicht

Mehr Preisgeld fürs Sentry Tournament of Champions, fürs Genesis und Arnold Palmer Invitational, fürs Memorial Tournament und das WGC-Match Play, selbst für die The Players Championship reicht allein nicht, wenn die Veranstaltungen in Sachen Nimbus-Bildung ansonsten auf sich allein gestellt und allenfalls mit dürrer PR promotet werden. Ganz abgesehen davon, dass LIV Golf in Sachen Zaster ohnehin alles totschlagen kann, was die PGA Tour auf den Tisch blättert.

Und noch ein Aspekt: „Die Spieler wurden durch die moderne Haudrauf-Mentalität, Hauptsache weit, ihrer Individualität beraubt“, glaubt nicht nur Michael Bamberger. Kunst- und Schlag-Fertigkeit am Ball und in der Auseinandersetzung mit dem Design, so es denn noch oder wieder im Spiel ist, sorgen für Aufsehen und Reputation – in punkto Spieler, Platz sowie Turnier. Das hat jüngst Cameron Smith mit seinen Wedge- und Putting-Zaubereien in St. Andrews eindrucksvoll bewiesen.

Woods weist die Richtung, „die zu unserem Besten ist“

Aber wer weiß: Vielleicht hat Tiger Woods, der neue „De Facto Commissioner“ (Alan Shipnuck), das ja ebenfalls auf dem Zettel. Für Rory McIlroy jedenfalls besteht seine Aufgabe darin, „uns in die Richtung zu navigieren, die zu unserem Besten ist“.

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