Panorama

Vom Traum zum Albtraum: McIlroy zerstört Irlands Hoffnungen und ein Handy

19. Jul. 2019 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Rory McIlroy versagten bereits an der ersten Bahn der British Open 2019 die Nerven. (Foto: Getty)

Rory McIlroy versagten bereits an der ersten Bahn der British Open 2019 die Nerven. (Foto: Getty)

Pleiten, Pech und Pannen: Diese Rubrik ließe sich mühelos allein mit den Details des Debakels von Rory McIlroy füllen. Seine Aussetzer zum Auftakt der gestrigen Runde und der „Schneemann“ an Loch eins sind hinlänglich beschrieben, doch er zog dabei auch andere in Mitleidenschaft. Beim ersten Abschlag, mit einem langen Eisen übrigens, schickte „Rors“ nicht nur seinen Ball „out of Bounds“, sondern traf dabei auch noch eine Zuschauerin an der Hüfte, dabei ging das Handy zu Bruch, das die Frau in der Hosentasche hatte. Und dann war da noch das 16. Grün der Dunluce Links, wo der 30-Jährige nach einem verschobenen Putt allzu lässig zu Werke ging und es beim Tap-in schaffte, noch mal das Loch zu verfehlen. „Das“, sollte er später sagen, „war der enttäuschendste Moment auf dieser fürchterlichen Runde.“ Und: „Ich hätte besser auf den Wind achtgeben sollen.“

So reihte sich Fehler an Fehler: Der Moment, auf den McIlroy nach eigenem Bekunden sein Leben lang gewartet hatte, die Open Championship auf heimischem nordirischen Boden nämlich, in „seinem“ Royal Portrush, wo er 2005 als 16-Jähriger mit 61 Schlägen den Platzrekord markiert hatte, wurde zu einer Kette von Albtraum-Augenblicken. Sehr treffend fasste ein Zuschauer es auf Twitter zusammen: „Ich habe mir vorgenommen, jeden Schlag von McIlroy bei dieser Open zu verfolgen, aber ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“ Der vierfache Majorsieger selbst, neben Brooks Koepka als Top-Favorit in diese 148. British Open gestartet und von großen Hoffnungen der Fans begleitet, meinte hernach lakonisch: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder, der bei diesem Golfturnier mit einer 79 anfängt, jetzt nicht mehr an den Sieg denkt.“ Im Online-Auftritt der „BBC“ schreibt Tom English: „Einige der Dinge, die McIlroy da draußen fabriziert haben, waren für einen Spieler seiner Klasse einfach nur peinlich.“

Übrigens: Der Bereich, in dem gestern McIlroys erster Abschlag landete, ist auf den Dunluce Links ein sogenannter „internal out of bounds“, also eine „Aus“-Fläche mitten im Golfplatz. In Deutschland kommt das allenfalls vor, wenn z. B. die Driving Range oder der Kurzkurs mitten im Platz liegen. Auf den britischen Inseln sind derlei Areale nicht selten; es handelt sich meist um Parzellen in besonderen Besitzverhältnissen, die daher für den Golfplatz nicht zur Verfügung stehen. Royal Portrush ist zwar längst Eigentümer des kleinen dreieckigen Fleckens, hat das „internal out of bounds“ aus Traditionsgründen aber beibehalten wie auf der linken Seite des 18. Fairways. Es steht ja zumindest auf Loch 1 rechterhand auch genug Fairway zur Verfügung, außer für Rory McIlroy.

Lowry: Kneipengespräch als Open-Einstimmung

Amtsübernahme: Nach dem Sturz des Top-Favoriten McIlroy ruhen Irlands Hoffnungen nun auf dessen Kumpel Shane Lowry. Der 32-Jährige rangiert nach einer 67er Runde auf dem geteilten Platz hinter Spitzenreiter J. B .Holmes und machte diesen perspektivreichen Start vor allem an einem Gespräch mit Coach Neil Manchip, dass er am Abend zuvor in einer nahe gelegenen Kneipe geführt hatte. „Ich habe mich nach den Trainingstagen und mit den Trainingsergebnissen nicht sonderlich wohl gefühlt“,  berichtete Lowry. „Also haben wir uns im ,Bushmills Inn‘ getroffen, eine ruhige Ecke gefunden und bei einem Kaffee 40 Minuten gequatscht. Dabei kam alles mögliche auf den Tisch, und ich habe den Raum mit neuem Selbstvertrauen verlassen.“ Das Ergebnis war Lowrys bislang beste Runde bei einem Major:

Der Rücken: Woods nach 78 zum Doktor

Widrige Umstände: So ein Wetter wie gestern in Royal Portrush ist nichts für geplagte oder ältere Knochen und schon gar nichts für einen Golfer mit der Krankheitsgeschichte von Tiger Woods. Hatte der 43-Jährige während seiner Trainingsrunden noch geklagt, sein Spiel sei bei weitem nicht so „scharf“ wie für eine Open erforderlich, so machte sich am Donnerstag sein malader Rücken umso verschärfter bemerkbar. Woods quittierte etliche Schläge mit schmerzverzerrtem Gesicht und gestand nach der enttäuschenden 78: „Ja, der Rücken tut weh. Ich bewege mich gerade nicht sonderlich gut und habe mich ziemlich gequält, um irgendwie einen Schwung zusammen zu stückeln, der mich über die Runde bringt. Schon mein Warm-up war schmerzhaft und nicht gut. Aber so ist das nun mal.“ Sprach‘s und begab sich in ärztliche Behandlung.

David Duval auf Hermann Tissies‘ Spuren

Absturz: Anfangs rieb man sich fast verwundert die Augen – David Duval bei -2? Der einstige Weltranglistenerste aus den USA, 59-Spieler und Champion Golfer of the Year 2001 ganz vorne dabei?. Obwohl er seit Jahren sein Golfspiel verloren zu haben schien? Tja, am Ende war‘s dann doch wieder das gewohnte Bild, mit 20 über Par rangiert der 47-Jährige am Ende des Felds, und man empfindet fast Mitleid mit dem einstigen Woods-Widersacher. Duvals Leiden begann mit einem Doppelpar-8 auf Loch 5. Es folgte ein Bogey auf der 6 und dann sage und schreibe eine 14 (9 über Par) auf der 7; nur einen Schlag „besser“ als der Negativrekord des deutschen Amateurmeisters Hermann Tissies, der 1950 auf dem „Postage Stamp“-Par.3 von Troon eine 15 hinnehmen musste.

Duval hatte vom Tee zwei Bälle verloren und spielte nach dem endlich erfolgreichen dritten Abschlagversuch einen falschen Ball. Als das am Grün der 7 festgestellt wurde, musste Duval zurück und seinen eigentlichen Ball suchen. Der aber war unauffindbar. also zurück zur Tee Box, Drive Nummer vier. Irgendwann war das Loch endlich gespielt und summierte sich samt Abschlägen und den diversen Strafen auf 14 Schläge. Dass der Amerikaner danach im Lauf der Runde weitere acht Schläge verlor, wundert nicht. Gleichwohl, dass sich Duval nach dem Desaster der Presse stellte: „Es ist eins dieser fürchterlichen Szenarios, das man sich in seinem schlimmsten Träumen nicht vorstellen kann. Aber es passiert.“ Aufgeben war für ihn dennoch keine Option, „weil ich daran glaube, was ich tue“.

In Sachen Wetter ist heute der mieseste Tag

Wetterkunde: Während es für manche nach dem ersten Tag kaum noch schlechter kommen kann, sagen die Meteorlogen der 148. Open Championship für heute das mieseste Wetter voraus. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei 70 Prozent, die Temperaturen rangieren bei ungemütlichen 13 Grad, lediglich der Wind bläst deutlich schwächer als am Donnerstag.

Ryan Fox mit Open-Rekord auf der Back Nine

Fürs Geschichtsbuch: Der Neuseeländer Ryan Fox notierte gestern zum Auftakt auf den Dunluce Links von Royal Portrush die beste Back Nine in der Historie der Open Championship. Er erzielte auf den letzten sieben Löchern seiner Runde sechs Birdies und addierte so ein „In“ von 29 Schlägen zur insgesamten 68er Runde auf seiner Scorekarte. Auf der ersten Neun hatte sich der 32-Jährige dabei noch drei Schlagverluste zu einer 39 notieren müssen. Kurz vor Schluss seines Umlaufs war sich Fox („Seit langem hatte ich mal wieder Spaß auf einer Golfrunde“) der Rekordverdächtigkeit sogar bewusst und wollte sich beim Caddie vergewissern. Der freilich entgegnete bloß: „Halt die Klappe und loch einfach den Putt!“

Woodlands Ball: Huckepack zum Grün?

Scherzkeks: Es war nicht ganz der Start, den sich Gary Woodland bei dieser British Open erhofft hatte; nach einer 74 liegt der amtierende US-Open-Champion auf dem geteilten 94. Rang. Da ist jede Hilfe recht – zumal, wenn auf bahn 16 einer der verirrten Abschläge des 35-Jährigen tatsächlich auch noch im Rucksack eins Zuschauers landete. Woodland reagierte geistesgegenwärtig und mit Humor, fragte den Fan, ob dieser nicht ein gutes Stück Richtung Grün laufen könne, um dann erst die Murmel aus dem Bagpack zu klauben. Na ja, Flachs halt, es wurde natürlich an Ort und Stelle gedroppt …

Miguel Ángel Jiménez ist Señor 700

Seltenes Jubiläum: Als zweiter Spieler in den Annalen der European Tour nach dem Schotten Sam Torrance bestreitet Miguel Ángel Jiménez ausgerechnet bei der Open Championship sein 700. Turnier auf dem europäischen Circuit.

Der Spanier, Tour-Mitglied seit 1988 und amtierender Senior-Open-Champion, ist durch seinen Sieg, dem 21. insgesamt, im Alter von 50 Jahren und 133 Tagen bei der Open de España 2014 auch ältester Tour-Sieger und hält diverse andere Rekorde. Zu Torrances Rekord fehlen Jiménez noch sechs Turniere. Das war der European Tour unter anderem eine Würdigung per Foto-Galerie auf Instagram wert:

Player preist Portrush

Lobeshymne: Für einen steht schon fest, dass Royal Portrush gerade wohl die tollste Open Championship aller Zeiten abliefert. Gary Player (83), der neunfache Majorsieger aus Südafrika, singt ein hohes Lied auf die Austragungsstätte des weltältesten Majors. Irland sei ohnehin „ein unglaubliches Golfland“ und „Portrush hat den besten Platz in Irland“, sagte „The Black Knight“: „Es dürfte wohl bislang keine bessere Open gegeben haben als diese hier.“

Pepperell spricht das Wort zum Freitag

Zum Schluss: Den Spruch des Tages liefert (einmal mehr) Eddie Pepperell, der gestern phasenweise mit Fäustlingen unterwegs war, eine 70 (-1) ins Clubhaus brachte und Platz T20 belegt: „Ich bin wie Brooks Koepka, nur sind es bei mir die Übungsrunden. Während er dann Majors gewinnt, verpasse ich den Cut.“


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