Major

Das Masters-Menetekel: Spielt Tiger Woods fortan allenfalls noch gegen den Cut?

09. Apr. 2023 von Michael F. Basche in Kölkn, Deutschland

Ein sichtbar angeschlagener Tiger Woods quält sich über den Golfplatz beim Kampf um den Cut. Wird das zum Dauerzustand? (Foto: Getty)

Ein sichtbar angeschlagener Tiger Woods quält sich über den Golfplatz beim Kampf um den Cut. Wird das zum Dauerzustand? (Foto: Getty)

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So viel Widersprüchliches: Tiger Woods hat bei seinem 25. Masters den 23. Cut in Serie geschafft und mit Gary Player und Fred Couples gleichgezogen. Chapeau! Und was hat der 47-Jährige nun von dieser weiteren Bestmarke in seiner an Rekorden reichen Augusta-Bilanz? Die Aussicht auf weitere anderthalb Tage voll Qual und Schmerzen unter widrigsten Bedingungen und mit extremen Temperaturstürzen, die sich gerade bei seinem kaputten Körper verheerend auf die Motorik und das Gesamtbefinden auswirken. Da muss einer schon von ganz besonderem Ehrgeiz und von einem speziellen Arbeitsethos sein, um sich das anzutun – wie es Woods halt auszeichnet. Trotzdem hat er die Reißleine gezogen und heute vor Wiederbeginn des Turniers aufgegeben.

 

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Dennoch, die Situation passt trefflich zu all den Ambivalenzen, die Woods seit dem Comeback nach dem beinahe tödlichen Autounfall im Februar 2021 begleiten, bei dem sein rechtes Bein vom Motorblock des Genesis-SUV förmlich zerschmettert wurde: Er spricht davon, mindestens noch einen großen Sieg in sich zu fühlen, weiß aber nicht, „wie viele Majors ich noch im Tank habe“. Er sagt, dass für dieses ganz große Ding kein Event besser wäre als das Masters, weil er die Bühne kennt wie seine Westentasche, aber gleichzeitig ist vor allem das Auf und Ab von Augusta National pures Gift („Ich kann jeden Schlag, ich kann bloß nicht laufen“). Überhaupt: Er hat im Vorfeld dieses 87. Masters so intensiv trainiert, dass sein eh beeinträchtigtes Bein besonders empfindlich und nur bedingt belastbar, zudem die Entzündung in der Sehnenplatte der Fußsohle (plantare Fasziitis) offenbar wieder aufgebrochen ist.

Wie es ohne Training aussieht, daran erinnert sich jeder mit Phantomschmerzen beim Rückblick auf Woods’ qualvollen Auftritt im vergangenen Jahr. Und zu allem Überfluss benötigte der 15-fache Major- und fünffache Masters-Sieger auch noch ausgerechnet die Hilfe vom „kleinen Bruder“ Justin Thomas, der auf der 18 ebenfalls ein Bogey spielte, damit den Cut auf +3 verschob und selbst die Koffer packen musste, während Woods exakt auf der Linie ins Wochenende humpelte.

War das ein Vorgeschmack auf die Turniere, die vor Woods und seinen Fans liegen, bis der Superstar bei der PGA Tour Champions ins Cart steigen kann? Es scheint so: Wir können getrost davon ausgehen, dass der GOAT mit seinem sturen Ehrgeiz auch weiterhin kein Major auslassen will und wird. Aber wir müssen uns daran gewöhnen, dass Tiger Woods künftig nicht mehr um den Sieg, sondern vor allem gegen den Cut spielen wird. Oder ist das eine verfrühte Schwarzmalerei?

Ach übrigens, noch eine Pikanterie am Rande: Die dritte Runde bestreitet Woods mit Sungjae Im – und mit dem unlängst in die LIV-Liga gewechselten Thomas Pieters. Woods-Manager Mark Steinberg, der als Partner der Agentur Excel Sports Management auch Spieler wie Collin Morikawa, Justin Thomas und Justin Rose betreut, hatte den Belgier unlängst genau wegen dieser Entscheidung fristlos gefeuert, sprich ihm die Zusammenarbeit aufgekündigt. Wetten, dass Woods und Pieters sich während ihrer gemeinsamen Runde nicht sonderlich viel zu sagen haben?

Koepka vs. Rahm: Ein Duell der besonderen Art

Brisanz: An der Spitze dieses 87. Masters findet ein Duell der ganz besonderen Art statt: Jon Rahm gegen Brooks Koepka, der Spanier gegen den Amerikaner. Aber nicht nur deswegen alte gegen neue Welt: Auch Europas Bester in der Weltrangliste gegen den aktuellen Top-Mann der LIV-Liga. Das Ganze allerdings mit Vorteilen für Koepka, dem offenbar weder Konkurrenz noch Klima was anhaben können. Unbeirrt, vor Selbstvertrauen strotzend und mit geradezu klinischer Präzision zieht der 32-Jährige seine Runden und macht, was er am besten kann: keine Fehler. Stattdessen holte er sich auf der Par-5-Zwei das erwartbare Birdie, verpasste auf der Drei und auf der Fünf weitere Schlaggewinne nur knapp und hatte nach absolvierten sechs Löchern seinen Vorsprung auf Rahm von zwei auf vier Schläger verdoppelt. Weil der im Gegensatz zum Kontrahenten Koepka Fehler machte, auf der Vier und auf der Fünf jeweils einen Schlag liegen ließ.

Koepka, der vierfache Majorsieger, hätte seinen ersten Fehler beinahe auf der Sieben gemacht, als er seinen Abschlag verzog, die Annäherung vom Kiefernadel-Streu in den Bunker setzte, dann aus dem Sand zu kurz blieb und sich einen 3,35-Meter-Putt zum Par ließ. „Ich dachte, ich hätte einen guten Bunkerschlag gemacht, aber es sah so aus, als würde er einfach auf dem Wasser schlittern. Ich bin echt froh, dass wir aufgehört haben“, sagte er anschließend unter dem Regenschirm. Und: „Es war mega schwierig. Die Bälle sind nicht richtig geflogen, der Regen nervt und es ist eiskalt. Du kannst dich nur durchbeißen und irgendwie zu retten versuchen, was zu retten ist.“

Also, einmal schütteln und heute auf ein Neues den Kampf mit den Elementen, dem Platz und dem „Feind“ im Flight aufnehmen. Auf Rahm wartet ein Putt über 2,70 Meter zum Birdie und ein hartes Stück Arbeit. Ein Schlaggewinn zum Restart würde fraglos ein Momentum bringen, und dass der 28-Jährige sich von frühen Rückschlägen nicht beeindrucken lässt, hat er jüngst mit seiner famosen 65er-Auftaktrunde trotz eines Doppelbogey-Einstiegs in dieses Masters bewiesen. „Ich bin zuversichtlich, spiele gutes Golf und es gibt davon noch eine Menge zu spielen“, erklärte der US-Open-Sieger von 2021 nach dem gestrigen Abbruch. Auch das stramme Restprogramm für den heutigen Marathon-Sonntag schreckt ihn ebenso wenig ab wie Koepka. „Ich fühle mich gut und stark“, betonte „Rahmbo“: „Bei der Ausgangslage, in der wir beide sind, schaltet sich das Adrenalin ein und dann spielt so etwas keine Rolle.“

Fitzpatrick und Cantlay, die „Matsch Play“-Spezialisten

Wetterfest: Während Cameron Young gestern ein halbwegs vernünftiges Golfspiel aufgrund der Wetter- und Platzbedingungen als „im Grunde genommen unmöglich“ bezeichnete, waren zwei seiner Mitstreiter förmlich in ihrem Element. Matt Fitzpatrick, der amtierenden US-Open-Champion, und Ex-FedEx-Cup-Sieger Patrick „Patty Ice“ Cantlay pflügten fröhlich über Augusta Nationals feuchte Fairways, lagen Drei unter Par, als das Horn für den Abbruch ertönte und erwiesen sich damit als wahre „Matsch Play“-Spezialisten. Aktuell liegen die beiden mit -5 fürs Turnier auf dem geteilten vierten Platz. Mal sehen, wie weit es heute noch nach vorn geht.

Die Jahre, die auf „3“ enden: Gibt’s ein Montagsfinale?

Zahlenspiel: Sie werden es um jeden Preis vermeiden wollten, doch angesichts der Wettervorhersage für heute ist ein Montagsfinale bei diesem 87. Masters keineswegs ausgeschlossen, trotz Zweierflights von zwei Tees. Immerhin haben die Spitzenleute noch ein paar Putts und 29 Löcher zu absolvieren. Wenn man an die Magie der Ziffern glaubt, dann ist eine Fortsetzung am morgigen zweiten Ostertag ohnehin unvermeidlich. Insgesamt fünf Montagsfinals gab es in der Masters-Historie und die jüngsten beiden fielen jeweils auf Jahre mit einer „3“ am Ende: 1973 gewann Tommy Aaron, 1983 Seve Ballesteros. Wie wird es 2023?

 

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Und noch ein Zahlenspiel: 54 Spieler haben den Cut überstanden und es ins Wochenende geschafft. Die römischen Ziffern für 54 sind bekanntlich LIV – ein gutes Omen für Brooks Koepka?

Wenn der Regen rund 50 Meter Schlaglänge schluckt …

Anschaulich: Dass widrige Witterungen wie das aktuelle Wetter beim Masters – selbst ohne zusätzliche Wind-Wirkung – das Spiel schwieriger und den Platz länger machen, ist eine Binse. Nicht allein, weil der feuchte Boden den Roll des Balls hemmt, sonder wegen der Dichte der feuchten Luft und und und. Aber dennoch ist es interessant, mal zu sehen, wie sich das tatsächlich auswirkt. „Golf Digest“ hat anhand der Drives von Jon Rahm und Cameron Young auf der 18 in Runde eins unter freundlichen Bedingungen und zum Abschluss der verregneten Runde zweimal grafisch aufgearbeitet, wie viel Schlaglänge der Regen schluckt: 46 Meter bei Rahm, 58 bei Young.

 

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Doch noch ein stilvoller Abschied für Lyle – und für Mize

Happy End: Zum Schluss bekam Sandy Lyle dann doch seinen würdigen Abschied. Nachdem der Abbruch vom Freitag dem Masters-Champion von 1988 noch den finalen 3,65-Meter-Putt seiner Golfkarriere vor großem Publikum rund ums 18. Grün verwehrt hatte, lochte der Schotte seinen Ball dann gestern „im kleinen Kreis“ mit dem zweiten Versuch zu einem Gesamtscore von +20. Übrigens dann mit einem speziellen Putter, den Ausrüster Ping als Replika des 1988-„Zauberstabs“ gefertigt hatte und den Lyles Caddie Ken Martin seinem Chef dafür feierlich überreichte. Anschließend wartete Lyle auf Larry Mize (+15), der ihm damals als amtierender Champion ins Green Jacket geholfen hatte und mit diesem 87. Masters ebenfalls seinen Karriere beendet hat. Die Zeit bis zum wirklich finalen Schlussakkord hatte Lyle übrigens nach eigener Aussage mit „jeder Menge Tequila und ein bisschen Whisky-Verkostung bis 1 Uhr nachts“ überbrückt.

 

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Aufräumarbeiten nach Windbruch bereits erledigt

Heinzelmännchen: Larry Mize, der Masters-Champion von 1987, der wie Lyle in Augusta seinen Abschied feierte, sprach aus, was wohl jeder angesichts der umgestürzten Bäume nahe dem 17. Loch von Augusta National gedacht hat: „Es ist ein Wunder, dass niemand verletzt worden ist.“

Ein kleines Wunder ist auch, was das Bodenpersonal des Augusta National Golf Club binnen weniger Stunden zuwege brachte, nachdem die heftigen Winde am Freitagnachmittag drei Kiefern aus ihrer Wurzel-Verankerung gerissen hatten.

 

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Aber bei einer Mannschaftsstärke von rund 160 Greenkeepern fürs Masters (nicht zuletzt dank freiwilliger Verstärkung aus aller Welt) lässt sich eine Menge Aufräumarbeit verrichten. Und gestern sah es an der Stelle des Windbruchs dann so aus:

Meine Bildunterschrift. (Quelle: GP)
Die 17 nach den Aufräumarbeiten (Foto: Getty)

Aus der „Steinzeit“: TV-Blackout bei Führungstrio

Fehlleistung: Stell dir vor, es ist Moving Day beim Masters, an der Spitze des Felds tobt ein Gigantenduell samt seltener Amateurbeteiligung – und im Fernsehen kriegst du wegen Augusta Nationals eigenwilliger TV-Politik bloß irgendwelche „Featured Groups“ zu sehen, die – bei allem Respekt vor Jordan Spieth, Adam Scott oder selbst dem vermutlich bereits entthronten Titelverteidiger Scottie Scheffler – angesichts der Konstellation auf dem Leaderboard keine Socke so wirklich interessierten. Genau das passierte gestern. Durch die wetterbedingten Änderungen des Zeitplans sowie den Start in Dreierflights auf der Eins und auf der Zehn schlugen Brooks Koepka, Jon Rahm und Sam Bennett rund anderthalb Stunden früher ab und waren längst unterwegs, sogar bereits auf Bahn sechs – leider nicht als „Featured Group“ –, als der Sender „CBS“ endlich mit seiner Live-Berichterstattung begann.

Schlimmer noch: Als die Kameras das Top-Terzett endlich im Bild hatten, quäkte kurz darauf das Horn. Der Furor der Fernsehgemeinde fiel entsprechend aus: 

Ein „Hinterhof“, der neidisch macht

Zum Schluss: … noch was zur Gemütsaufhellung, bevor es wieder in die Trübnis eines verregneten, indes hoffentlich spannenden Masters-Tages geht. Wohl dem, der so einen „Hinterhof“ sein Eigen nennen darf, samt einer Anmutung von Augusta Nationals „Golden Bell“ mittendrin. Und das Wetter passt auch – man könnte glatt etwas neidisch werden:

 

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