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Die Tour ist passé, es lebe die Tour: Eine neue Ära fürs europäische Profigolf

25. Nov. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Startschuss für die DP World Tour bei der Joburg Open. (Foto: Getty)

Startschuss für die DP World Tour bei der Joburg Open. (Foto: Getty)

In Nordamerika wird heute Thanksgiving gefeiert; es ist allerdings nicht bekannt, ob sich der Kanadier Keith Pelley am Abend einen knusprigen Truthahn gönnt. Anlass zum festlichen Schmaus gäbe es nicht nur des Datums wegen: Der „Makler des Machbaren“ in Virginia Water bei Wentworth hat den bislang als European Tour bekannten europäischen Golf-Circuit binnen Jahresfrist von schwankendem Boden geholt und auf eine stabile Basis gerettet, vom Übernahmekandidaten wieder zum prospektiven Partner mit prickelnden Perspektiven geformt.

Konkurrenz-Circuits als Glücksfall für Pelley

Natürlich gelang Pelley dies nicht ohne die tatkräftige, sprich finanzstarke Hilfe der reichen Verwandtschaft aus den USA – Stichwort strategische Allianz mit der PGA Tour – und das erweiterte Engagement eines bewährten Partners aus Dubai, wo eh seit 2009 nicht nur wegen des Saisonfinales eine Arterie des Tour-Betriebs pocht. Aber dennoch muss einer die losen Enden erst mal so virtuos verknüpfen, wie es der ausgebuffte Sportmanager in den vergangenen Monaten geschafft hat. Ihm hätte allerdings auch nichts besseres widerfahren können, als die am Horizont auftauchenden Fata Morganen irgendwelcher von Saudi-Arabiens anrüchigem Geld finanzierten Superligen: Gegen Feinde von außen rückt man in der Familie halt gern eng zusammen – ein Glücksfall für Pelley.

Heute morgen um 6.30 Uhr hat der südafrikanische Lokalmatador Dean Burmester mit seinem ersten Abschlag auf dem Firethorn Course des Randpark Golf Club Course nicht nur die Joburg Open und eine neue Spielzeit eröffnet, sondern auch die DP World Tour auf die Reise geschickt und damit „Geschichte geschrieben“, jubeln Pelleys PR-Leute:

Das 50. Jahr des gesamteuropäischen Profi-Reigens läute gleichermaßen eine neue Ära ein, heißt es in einem aus gegebenem Anlass erstellten Video voller Verve, namhafte Akteure kommen zu Wort und erzählen bedeutungsschwer: „Wir waren schon immer mehr als nur eine europäische Tour – und jetzt sind wir wirklich global.“ Oder kurz: Die Tour ist passé, es lebe die Tour! Pikanterweise ging die alte am vergangenen Sonntag mit dem Doppelsieg eines Amerikaners zu Ende, auch das passt fein ins Gesamtbild.

Und weil alle so enthusiasmiert nach vorn schauen, ist es Zeit für ein Requiem auf die gute alte European Tour, die uns Berichterstatter seit journalistischem Gedenken begleitet hat. Golfserien existierten von jeher, nachdem sich 1901 in London „The Professional Golfers’ Association“ gegründet hat, um als weltweit erste Vereinigung dieser Art die Interessen der Berufsspieler in Großbritannien und Irland zu vertreten – dank nicht unwesentlicher Mitwirkung des großen John Henry Taylor, der zwischen 1894 und 1913 fünf Open Championships gewann.

Lee Westwood als Preisgeld-Krösus

1972 gilt allgemein als Premierensaison der European Tour, damals geführt vom 2017 verstorbenen John Jacobs, weil erstmals die PGA-Turniere auf den britischen Inseln und die bedeutendsten Wettbewerbe auf dem europäischen Festland in einem Kalender vereint wurden. 20 Stationen umfasste diese Ur-Tour inklusive der nationalen Opens von Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, der Niederlande und der Schweiz sowie der Madrid Open und dem Lancia d’Oro in Norditalien. Die Rangliste, die bis 2009 als Order of Merit geführt wurde und bei der Briten und Iren fürs Erste auf eigenen Wertungswegen wandelten, berechnete sich in den Anfangsjahren nach Punkten, später nach Moneten.

Lee Westwood ist übrigens der Preisgeld-Krösus auf der European Tour: Er verdiente bislang 38,237 Millionen Euro. Damit führt der Engländer knapp vor dem Nordiren Rory McIlroy (37,64 Millionen Euro) und dem Spanier Sergio Garcia (30,1 Millionen Euro).

1982 erstes Turnier außerhalb von Europa

Zehn Jahre nach der offiziellen Etablierung wurde die European Tour ihrem Namen erstmals untreu, als der seinerzeit amtierende Geschäftsführer Ken Schofield (1975 bis 2005) den Saisonstart nach Tunesien verlegte und Antonio Garrido (Spanien) im El Kantoui Golf Club in Sousse siegte. Bereits damals umfasste der Kalender 27 Turniere und etliche Extra-Events wie das Suntory World Match Play oder den Teamwettbewerb Hennessy Cognac Cup. Die Majors indes zählten mit Ausnahme der Open Championship nach wie vor weder zur Tour noch für die Order of Merit, die in jenem Jahr der Australier Greg Norman mit 66.406 britischen Preisgeld-Pfund gewann. Masters, US Open und PGA Championship wurden erst zur Saison 1998 in den Spielplan aufgenommen.

„Seitensprung“ in den Nahen Osten bereits 1989

Gewiss ist vielen die Aufregung und das Gezeter gut in Erinnerung, als die European Tour 2009 unter Schofield-Nachfolger und Pelley-Vorgänger George O’Grady (2005 bis 2015) das zuvor als Volvo Masters in Szene gesetzte Saisonfinale nach Dubai verlegte und folgerichtig die Order of Merit in Race to Dubai umbenannte. Profisport – und nicht nur der – geht halt dahin, wo das Geld ist, wo die Märkte sind.

Der erste „Seitensprung“ in den Nahen Osten ereignete sich freilich bereits 1989, als die Dubai Desert Classic debütierte. Drei Jahre später wandte sich die Tour mit der Johnnie Walker Classic in Bangkok gleichermaßen dem asiatischen Markt zu, 1994 markierte die erste Czech Open die golferische Erweiterung in den einstigen Ostblock. In den Folgejahren kamen Afrika mit der South African PGA Championship und die Zusammenarbeit mit der PGA of Australasia sowie mit der Asian Tour hinzu.

Geld für einen Umstand, der längst Fakt ist

Spätestens da war die European Tour eigentlich eine Welttour; jetzt hat sich dieser Umstand endlich auch im Tour-Titel verewigt. Dank des Logistik-Konzerns DP World, der das Saisonfinale in Dubai von Beginn an begleitet – erst als Präsenter, seit 2012 als Namensgeber. Pelley und seine zur European Tour Group umfirmierte Organisation kriegen sozusagen viel Geld für etwas, was längst Fakt ist.

Bleibt nur noch zu hoffen, dass sich Ian Poulters Missgeschick am allerersten (Trainings-)Tag des „neuen“ Golfreigens nicht als schlechtes Omen entpuppt. Ausgerechnet beim sogenannten DP World Golf Day am Montag widerfuhr dem Engländer nämlich ein scheusslicher Shank:


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Ein Beitrag geteilt von Ian Poulter (@ianjamespoulter)

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