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„Epizentrum der Golfwelt“: Eine Ruhmeshalle ist fast zu klein für Tiger Woods

10. Mrz. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Tiger Woods bei der Zeremonie zur Aufnahme in die Hall of Fame. (Foto: Getty)

Tiger Woods bei der Zeremonie zur Aufnahme in die Hall of Fame. (Foto: Getty)

Zu Beginn wäre vielleicht mit einer Frage aufzuräumen: Warum erst jetzt? Warum muss es bis 2022 dauern, ehe Tiger Woods, der Größte dieser Zeit, in die World Golf Hall of Fame aufgenommen wird? Die notwendigen 15 Siege auf irgendeiner der großen Touren hatte er Anfang der 2000er-Jahre abgehakt, die beiden vorgeschriebenen Majors schon vor der Jahrtausendwende – aber, und hier die simple Antwort: Trotz der längst übererfüllten sportlichen Kriterien war Eldrick Tont Woods bislang schlichtweg nicht alt genug.

„Meine Turniere gewonnen, bevor Du geboren wurdest“

45 muss einer für die Plakette in der Ruhmeshalle sein, die von der World Golf Foundation in St. Augustine/Florida betreut wird – das ist bereits eine „Lex Woods“, denn 2020 wurde das Mindestalter von zuvor 50 Jahren seinetwegen reduziert. Der heute 46-Jährige wäre schon vor zwölf Monaten dran gewesen, aber seinerzeit verzichtete man wegen Corona auf die allzweijährliche Zeremonie.

So wurde die „Class of 2021“ nun gestern Abend offiziell vorgestellt und in die Ruhmeshalle des Spiels aufgenommen: Woods und die 80-jährige LPGA-Heroine Susie Maxwell Berning als Sportler, die den Tiger direkt mal anflachste: „Obwohl ich noch so jung bin, habe ich alle meine Turniere bereits gewonnen, bevor Du geboren wurdest.“ Dazu für ihre Verdienste um das Spiel die 1944 verstorbene Marion Hollins – eine sehr posthume und längst überfällige Ehrung – sowie Tim Finchem, der Vorgänger von Jay Monahan als PGA-Tour-Commissioner.


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Freilich, diese verspätete Würdigung von Woods’ Lebensleistung trifft genau den rechten Zeitpunkt. 2018 und 2019 belohnte er sich selbst mit dem Tour-Champions-Sieg und vor allem mit dem fünften Masters-Triumph für ein Comeback, das den wenigsten in dieser Form möglich schien. Dann der schwere, beinahe tödliche Autounfall in Los Angeles vor etwas mehr als Jahresfrist: erneut unerträgliche Schmerzen, die mentale Belastung einer drohenden Amputation und der scheinbaren Unausweichlichkeit des endgültigen Karriereendes, die Qual der Reha. Und und und.

„Du hast jedes Mal allen Widrigkeiten getrotzt“

Doch der Tiger kam erneut wieder, verblüffte die Golfwelt mit Übungsschlägen bei der Hero World Challenge und im Turnier mit Filius Charlie bei der PNC Championship, alles getragen von einem offenbar unbeugsamen Willen. „Du hast jedes Mal allen Widrigkeiten getrotzt“, hat seine 14-jährige Tochter Sam bei der berührenden Laudatio über ihren Vater gesagt: „Deswegen verdienst Du das hier. Weil Du ein Kämpfer bist.“ Sportliche Meriten hin oder her: Gestern wurde im World Golf Village zuvorderst der Mensch Tiger Woods geehrt.

Ja, er ist ein Ausnahme-Athlet: Aber zuvorderst gilt es dem Charakter Respekt zu zollen, der den Drill seines Vaters und eine letztlich verkorkste Jugend ebenso überstanden hat wie das Leben als sportliche Sensation im schonungslos gleißenden Licht der Öffentlichkeit und die Verwerfungen des geschundenen Körpers. Einem Geist, der himmelhoch flog und in Abgründe schaute, nein stürzte, auch in eigene. Einer Seele, die eine Katharsis durch- und überlebte, an der volatilere Naturen zerbrochen wären – siehe Sex-Skandal, Schmerzmittel-Abhängigkeit, Operationen, den neuerliche Rückschlag des Unfalls.

Resilienz, Stärke und Antrieb, sich zu wandeln

Woods ist daran nicht zerbrochen, sondern erlebte eine Läuterung, ließ sie zu, ließ sich darauf ein – mit der Entschlossenheit und dem unbedingten Willen, die ihn auf den Fairways „für 15 Jahre nahezu unbesiegbar“ (Jim Furyk) erscheinen ließen. Er hatte die Resilienz, die Stärke und den Antrieb, sich zu wandeln.

Der Tiger früherer Jahre war ein Art Roboter, unzugänglich, misstrauisch, arrogant in seiner tief verborgenen Unsicherheit, manisch auf sich und sein Golfspiel fixiert. Der Mensch Tiger ist zugewandt, charmant, reflektiert, von einnehmendem Wesen; er zeigt das angenehme Selbstbewusstsein eines unaufdringlichen und dankbaren Selbstwertgefühls; er weiß wie kaum ein anderer um die Imponderabilien des Daseins.

„Er ist alles!“

Unbenommen der 103 Profisiege inklusive der 15 Majors, der zahllosen Rekorde und Bestmarken; auch all dessen, was er persönlich und als Symbol, als Zugpferd für den Golfsport, den Nachwuchs, die wirtschaftliche Entwicklung des Spiels und die Prosperität, die Einträglichkeit des Profibetriebs getan hat: Das erst macht Woods zur Lichtgestalt vom Schlage eines Arnold Palmer, endgültig zum „Epizentrum unseres Universums“, wie Rory McIlroy seine Bedeutung in der Szene neulich definiert hat. Für einen derart unermesslichen Niederschlag ist eine Ruhmeshalle allein fast zu klein.


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Tiger Woods ist Golf, und Golf ist Tiger Woods. Für die heute dominierende Generation – die Top-Fünf der Weltrangliste sind sämtlichst unter 30 – sind der Superstar und das Spiel eine Einheit, ein wechselseitiges Synonym. „Stimmt, er ist alles!“, bekräftigt Collin Morikawa, der gerade gut zwei Monate auf der Welt war, als sich Woods im Augusta National Golf Club als bis heute jüngster Gewinner aller Zeiten ins Green Jacket helfen ließ.

Die Katze hat noch ein paar Leben in sich

Die gestrige Zeremonie in der World Golf Hall of Fame galt dem, was seither einen wahrhaft unvergleichlichen Verlauf genommen hat. Und so ungewiss die weitere Karriere des Tiger Woods derzeit sein mag – beendet ist sie nicht. Die große Katze hat noch ein paar Leben in sich.

Große Ehre für großen Golfer -...

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