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Die PGA Tour im Schatten von Corona: Per Jumbo-Jet von Stadt zu Stadt?

12. Mai. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Die PGA Tour zieht in Erwägung, ein Flugzeug für die Spieler zu chartern. (Foto: Getty)

Die PGA Tour zieht in Erwägung, ein Flugzeug für die Spieler zu chartern. (Foto: Getty)

Der Countdown läuft: Es rumort vernehmlich auf der Profigolf-Weltbühne, für die am 13. März der Vorhang fiel, nach einem Turniertag Players Championship. Die Ouvertüre spielen Rory McIlroy und Dustin Johnson sowie Rickie Fowler und Matthew Wolff am kommenden Sonntag beim „TaylorMade Driving Relief“. Dann folgt am 24. Mai das Intermezzo „The Match: Champions for Charity“ mit Tiger Woods, Phil Mickelson, Tom Brady und Peyton Manning.

PGA Tour: Herkulische Anstrengungen

Und ab dem 11. Juni soll‘s wieder um Dollar-Millionen und FedEx-Cup-Punkte gehen, wenn die PGA Tour mit der Charles Schwab Challenge im Colonial Country Club von Fort Worth/Texas den Re-Start im Schatten der Corona-Pandemie versucht. Unter herkulischen Anstrengungen; mit Szenarien, die schier unübersichtlich scheinen; und mit teils monströsen, auch absurden Lösungsansätzen.

Es braucht Ausnahmegenehmigungen für die rund 60 Professionals und Caddies, die sich derzeit außerhalb der USA aufhalten und nach Texas einreisen müssen. Quarantäne-Vorschriften sind zu beachten. Der Tour-Tross – 700 bis 800 Personen samt Offiziellen, Helfern, den Crews fürs Schlaganalyse-Tool ShotLinks, TV-Schaffenden und sonstigen Medienmenschen wird für die Dauer der Turnierwoche in Hotels kaserniert und täglich auf das Virus sowie auf Covid-19 getestet. Temperatur-Scans, Abstriche und Anamnesen sieht das Hygiene-Konzept der Tour vor, die außerdem Masken und Handdesinfektion in großen Mengen zur Verfügung stellt.

Zudem sollen alle Beteiligten vorab per Post Tests für eine heimische Vorab-Überprüfung erhalten, werden unmittelbar nach der Anreise ein weiteres Mal gecheckt. Allein 20.000 Schnelltests werden für die ersten vier zuschauerfreien Events des neuen Kalenders eingeplant. „Physical Distancing“ ist dennoch einzuhalten – selbst zum Caddie.

Datum 11. Juni dennoch „sehr optimistisch“

Nach einer Videokonferenz des 16-köpfigen Spielerbeirats mit Commissioner Jay Monahan hat Kevin Streelman gegenüber „Golf.com“ ausgeplaudert, dass sogar die Möglichkeit erwogen wird, Jumbo-Jets zu chartern, um die Spieler mit diesen Boeing 747 als geschlossene Gesellschaft von Stadt zu Stadt zu fliegen und das Infektionsrisiko etwa bei Linienflügen auszuschließen. „Wenn wir eh die ganze Woche aufeinander hocken, dann können wir auch zusammen reisen“, sagte Streelman. „Damit lässt sich auf jeden Fall eine deutlich sterilere Umgebung darstellen.“ Die Tickets gibt‘s zum Einheitspreis, auch die Caddies dürfen mit an Bord, für Familienmitglieder freilich ist kein Platz.

Allen ausgeklügelten Maßnahmen zum Trotz bleibt vor allem eine Menge Unwägbarkeiten und Fragezeichen. Allein schon wegen der höchst unterschiedlichen Auflagen und Einschränkungen in den unterschiedlichen US-Bundesstaaten. Nicht nur der schottische Altmeister Colin Montgomerie nennt das Datum des angepeilten Re-Starts für „sehr optimistisch“.

Eine Million Tests, die an der Pandemie-Front fehlen

Eine Million Virus-Tests hat die Tour als Bedarf bis zur Finalrunde der Tour-Championship am Labour Day, dem 7. September, eingeplant. Der Preis von 100 Dollar pro Stück ist für den Krösus aus Ponte Vedra Beach kein Problem, wohl indes die Verfügbarkeit. Bis dato wurden schätzungsweise insgesamt erst vier Millionen Amerikaner überprüft, nun soll dem eh labilen US-Gesundheitssystem eine siebenstellige Anzahl entzogen werden.

Noch ist das Land nicht mal imstande, genug Tests für all jene verfügbar machen, die an vorderster Front gegen das Virus kämpfen. Oder für die Allgemeinheit. „Aber Profigolfer bekommen eine Vorzugsbehandlung?“, wundert sich beispielsweise Montgomerie. Ohnehin hat „Commish“ Monahan stets betont, dass genügend verfügbare Tests die unabdingbare Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs sind.

Wer wertet die Tests aus? Wie schnell sind die Analysen verfügbar? Wie verlässlich sind die mittlerweile verfügbaren Schnelltests wirklich, nachdem die Standards von der staatlichen Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde gesenkt wurden, getreu dem Motto „Quantität vor Qualität“?

Turnier mit Publikum: Funkchips zur Kontrolle der Fans?

Dann sind da noch solche Kleinigkeiten wie: Trägt der Caddie Handschuhe, desinfiziert er den Griff, bevor er seinem Spieler den Schläger reicht, wirft, bereitlegt? Sowieso: Wie geht es weiter, wenn Charles Schwab Challenge, RBC Heritage, Rocket Mortgage Classic und Travelers Championship absolviert sind? Anschließend soll wieder Publikum zugelassen werden. Beim Memorial Tournament, das für Mitte Juli neu angesetzt ist, planen die Organisatoren den Einsatz von Armbändern mit codierten Funkchips für jeden Zuschauer. Damit könne kontrolliert werden, ob irgendwo auf der Anlage Fans zu dicht beieinander stehen, heißt es.

Und wenn? Rast einer der ohnehin auf der Anlage patrouillierenden Ordner ins Ballungsgebiet? Wie lässt sich beispielsweise „Rudelbildung“ am Rand eines Grüns möglichst schnell und überdies geräuschlos sowie bewegungsarm auflösen? Pausieren die möglicherweise gerade puttenden Protagonisten solange – Rückstau inklusive?

Fragen über Fragen.

„Was ist schon 100 Prozent sicher?“

Über allem hängt allerdings das Damoklesschwert eines positiven Tests im Nukleus des Tour-Betriebs, bei einem Spieler oder einem Caddie also. Die Regularien sehen vor, dass der Betreffende sofort isoliert und mindestens in 10-tägige Quarantäne geschickt wird. Wo auch immer die stattfinden soll. Im gerade aktuellen Hotel? An einem individuellen Ort? Daheim? Und was ist mit seiner Entourage? Es gelten die entsprechenden Regularien des jeweiligen Bundesstaats. Das Beispiel deutscher Fußball mit den Infektionsfällen beim 1. FC Köln und bei Dynamo Dresden zeigt, wie fragil das System ist.

Vom Spielerbeirat hat sich Commissioner Monahan ein 16:0-Votum für den Re-Start eingeholt. „Ich hatte anfangs echte Zweifel, ob das wirklich klappt“, räumte Streelman ein. „Doch nach dem Gespräch fühle ich mich etwas zuversichtlicher, dass wir spielen werden – irgendwo zwischen 65 und 99 Prozent. Aber was ist schon 100 Prozent sicher?“

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