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Meeting der tourtreuen Spieler gegen LIV Golf: Tiger Woods, übernehmen Sie!

17. Aug. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Tiger Woods reist zum Krisengespräch der PGA Tour. (Foto: Getty)

Tiger Woods reist zum Krisengespräch der PGA Tour. (Foto: Getty)

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Es gibt wohl in diesem Jahr kein bedeutendes Turnier, in dessen Vorfeld es nicht vor allem um LIV Golf, saudi-arabisches Handgeld und Herren mit moralischen Haltungsschäden ging. Bei den Majors war das trotz aller gegenteiliger Bemühungen der Veranstalter so. Vor dem Auftakt zum FedExCup-Play-off im TPC Southwind bewegte zuvorderst dieses Thema die Gemüter, als der Albtraum eines siegreichen und dadurch zum Weltranglisten-Ersten avancierten Cameron Smith gemalt wurde, der anschließend für irgendwas zwischen 100 und 140 Millionen Dollar die Seiten wechselt – womöglich noch als Gesamtsieger der Saisonwertung. Und auch jetzt, in der Woche der BMW Championship, dem zweiten Event auf dem Weg zum 18-Millionen-Golftopf am Ende des Tour-Regenbogens, ist LIV in aller Munde.

Geschäft mit Wetten auf LIV-Überläufer brummt

Greg Norman, der Impresario dieser Operettenliga von Riads Gnaden, dürfte sich die Hände reiben: Seine maliziös platzierten Störmanöver erbringen den gewünschten Effekt, sind Wirkungstreffer, wenn schon die Serie sportlich ein Muster ohne Wert ist. Wett-Bewerb – im Wortsinn – findet allenfalls bei den Buchmachern statt, weil munter gezockt wird, wer wohl als nächster dem Lockruf des Gelds erliegt. Xander Schauffele (4:1) und FedEx-Cup-Titelverteidiger Patrick Cantlay (7:2) sind momentan die Schlusslichter der Top-Fünf, davor liegen Hideki Matsuyama und Cameron Young (beide 1:1), wiewohl sich Letzterer laut seines Umfelds für die PGA Tour erklärt hat. Spitzenreiter ist Smith (1:10), der Spekulationen zufolge Norman eh längst das Ja-Wort gegeben haben soll, weswegen mit dem 28-jährigen Australier bei den „Bookies“ kein Blumentopf zu gewinnen ist.

 

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Der Players-Champion und Champion Golfer of the Year von St. Andrews ist freilich im Wilmington Country Club, einem der beiden Heimatclubs von US-Präsident Joe Biden übrigens, gar nicht dabei – wegen „Beschwerden in der Hüfte“, ließ sein Manager Bud Martin wissen. Was natürlich prompt neue Spekulationen auslöst: Hat die PGA Tour ihn doch schon sanktioniert – wie Phil Mickelson –, weil er angeblich Landsmann Marc Leishman für LIV angeworben haben soll? Kneift Smith vor der Last der Fragen, die er bislang alle abgeblockt hatte, und gibt er die Idee auf, vor dem ersten LIV-Start in Boston Anfang September auf der Tour noch mal richtig abzusahnen die Früchte seiner erfolgreichen Saison zu ernten? Oder ist es bloß eine Retourkutsche des FedExCup-Drittplatzierten und Weltranglisten-Zweiten wegen der beiden Strafschläge von Memphis?

Smith schont sich laut Manager fürs Tour-Finale

Smith habe die Beschwerden schon seit einigen Monaten und wolle sich bloß für den Showdown bei der Tour Championship kommende Woche in Atlanta schonen, erklärt jedenfalls Manager Martin den Startverzicht.

Dafür sind andere in Wilmington, die da in sportlicher Hinsicht nominell nicht hingehören: Tiger Woods und Rickie Fowler. Die beiden landeten am Dienstag mit Woods’ Privatjet auf dem Flughafen von Philadelphia, um an einem Meeting von handverlesenen tourtreuen Spielern teilzunehmen, das Woods mitinitiiert hat und bei dem es um die Haltung gegenüber LIV Golf und Maßnahmen gegen den Konkurrenz-Circuit und dessen Expansion im kommenden Jahr ging.


So jedenfalls berichtete es Enthüllungsjournalist Alan Shipnuck via Twitter. Demnach kam während der dreieinhalb Stunden gestern in einem Hotel fernab der Anlage alles auf den Tisch: von Kritik an Tour-Commissioner Jay Monahan über mehr Kompromissbereitschaft bzw. eventuelle Arrangements mit LIV bis hin zu einem von Davis Love III bereits angesprochenen Boykott der Majors. Für den Fall nämlich, dass R&A, USGA und Co. diejenigen Überläufer auch künftig teilnehmen lassen, wenn sie auf irgendeine Weise qualifiziert sein sollten – per Spielberechtigung für ehemalige Sieger, dank womöglich auf der Asian Tour erspielter Weltranglisten-Punkte oder im Vorgriff auf den Ausgang der Klage gegen die PGA Tour.

Der diesbezüglich erste Termi ist übrigens für den 23. Juli 2023 angesetzt, dann sollen Anhörungen stattfinden, Begründungen und Gegenargumente vorgetragen werden, bevor Richterin Bethany Labson Freeman über die Zulässigkeit entscheidet. Das eventuelle Hauptverfahren ist dann ab dem 8. Januar 2024 terminiert.


Im Vorfeld der BMW Championship war ohnehin eine reguläre Sitzung des Players Advisory Council (PAC), des Spielerbeirats der PGA Tour, angesetzt, zum dem jetzt unter anderem Max Homa als Nachrücker für gesperrte LIV’ler gehört. Zusätzlich stieg das „konspirative“ Treffen von „einflussreichen und solidarischen Top-20-Spielern, die daran interessiert sind, die PGA Tour weiterhin zum besten Produkt im professionellen Golf machen“, wie ein Teilnehmer dem Sender „ESPN“ verriet.


„Vieles von dem, was in den vergangenen sechs Monaten bis zu einem Jahr passiert ist, war abzusehen. Statt immer nur zu reagieren, hätten sie [Commissioner Jay Monahan und die PGA Tour] rechtzeitig und proaktiv agieren müssen. […] Mir wurde eine horrende Menge Geld geboten, aber ich möchte gern hier auf der PGA Tour sein. Und jetzt ist ja auch einiges in Arbeit: Es werden die richtigen Schritte getan, um sich mit einer Art Modernisierung weiterzuentwickeln. Die Tour war und ist immer noch der beste Platz, um professionell Golf zu spielen. Aber man kann halt auch nicht erwarten, mit Stagnation auf Dauer der Beste zu bleiben.“

Rickie Fowler


Auch wenn Fowler sich noch nicht eindeutig als LIV-Gegner geoutet hat („Ich habe diesbezüglich noch keine Entscheidung getroffen“), setzte sich der 33-jährige Kalifornier in jüngster Zeit sehr reflektiert mit der Situation und dem Modus operandi der PGA Tour auseinander und übte in diesem Zusammenhang harsche Kritik an Monahan und seinen Umgang mit LIV. Tatsächlich soll es laut Shipnuck bei der Zusammenkunft sogar um dessen Zukunft gehen. Der Golfjournalist aus der Redaktionsgemeinschaft „FirePit Collective“ bezeichnete Tiger Woods in einem weiteren Tweet schon als „de facto commissioner“, was sicher eher symbolisch und im Sinne eines „Leader of the Gang“ gemeint sein dürfte.


Wie auch immer, es ist absolut zutreffend: Der Superstar und 15-fache Major-Sieger ist nach wie vor Dreh- und Angelpunkt im Profigolf. Von ihm hängt alles ab, er ist das Zünglein an der Waage, seine Haltung zählt, jeder schaut auf ihn. Nicht von ungefähr hat Greg Norman dem 46-Jährigen trotz einer mehr als fraglichen sportlichen Zukunft 700 oder 800 Millionen Dollar geboten, um ihn auf „die dunkle Seite der Macht“ zu ziehen. Wäre der Tiger umgefallen, hätte sein Kielwasser weitaus viel mehr namhafte Spieler mitgezogen. Und das Konstrukt der PGA Tour würde auf Dauer einstürzen wie ein Jenga-Turm, dem der alles noch irgendwie stützende Stein entzogen wird.

 

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„Was Greg macht, ist nicht im besten Interesse des Spiels“

Hatte sich Woods anfangs mit Kritik an LIV noch zurückgehalten und erst mal nur sein Vermächtnis dauerhaft bei der PGA Tour verortet und damit seine Loyalität zum Establishment bekundet, so wurde er im Vorfeld der Open Championship bereits deutlicher: „Greg [Norman] macht Sachen, die meines Erachtens nicht im besten Interesse des Spiels sind.“ Und: „Diejenigen, die sich für LIV entschieden haben, treten mit Füßen, was sie überhaupt erst in die Position gebracht hat, von dort umworben zu werden. Damit bin ich nicht einverstanden […]. Ich für mein Teil weiß, wofür die Tour steht und was sie uns ermöglicht hat: unsere Karrieren zu verfolgen und auszubauen, dafür gut bezahlt zu werden; um bedeutende Trophäen zu spielen und unsere Spuren in der Golfgeschichte zu hinterlassen.“

Klage der LIV-Spieler zielt auch auf Woods

Obwohl Woods in der Klage der elf LIV-Akteure gegen die PGA Tour extra mit dem Vorwurf erwähnt wird, er habe durch seinen Einfluss Spieler vom Wechsel abgehalten, hat der französische Profi Mike Lorenzo-Vera ihm und Rory McIlroy vorgeworfen, nicht genug zu tun, „um LIV Golf aufzuhalten“. Die übergelaufenen Spieler würden sich auf beiden Seiten die Rosinen rauspicken, „sie nehmen das Geld und lachen denen mit Rückgrat ins Gesicht“, sagte Lorenzo-Vera in einem Gespräch mit der „Irish Times“: „Wenn Tiger und Rory das Trugbild von LIV Golf wirklich einreißen wollten, dann könnten sie das sehr wohl. Wenn sie wirklich wollten, dann würden sie mit den Spielern so reden, wie Billy Horschel, Eddie Pepperell, Robert McIntyre oder ich es beispielsweise tun. Würden sie endlich ganz deutlich ihre Wut über das zeigen, was gerade geschieht, dann könnten sie eine Menge erreichen.“


Mal sehen, was Woods und McIlroy nach dem Geheimtreffen zuerst ihrem „Commish“ zu sagen haben: Jay Monahan hat für heute ein Gespräch im Spielerkreis anberaumt.

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