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Was fürs Auge, was fürs Herz, was für den Gaumen: Dieses Masters hat alles

06. Apr. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Es ist einiges los, wenige Tage vor dem Beginn des US Masters 2022. (Foto: Getty)

Es ist einiges los, wenige Tage vor dem Beginn des US Masters 2022. (Foto: Getty)

Augusta National Golf Club, Dienstag, 10:55 Uhr Ortszeit: Sirenen heulen, Spieler unterbrechen ihre Übungsrunden, Heerscharen von Patrons schieben sich zu den Ausgängen, erwartungsvolle Stille legt sich über die Szenerie. Die Ruhe vor dem Sturm sozusagen.

In diesen Momenten gehört das Masters einem einzigen Menschen – Tiger Woods, dessen Pressekonferenz um 11 Uhr angesetzt ist. 14 Minuten später verkündet der 46-Jährige: „Im Moment habe ich das Gefühl, dass ich spielen werde.“ Sprach‘s, und mit einen vernehmlichen Rums setzte sich der Golf-Globus wieder in Bewegung.

"Geschichte in Echtzeit"

Es scheint, als rotiere er seither ein paar Nanosekunden schneller pro Umlauf; jetzt, wo seine Achse wieder an Ort und Stelle ist und der Dreh- und Angelpunkt dieser Rotation sogar einen erneuten Erfolg, das sechste Green Jacket, für möglich hält. „Manchmal haben wir das Glück, dass sich die Geschichte in Echtzeit abspielt“, schrieb jemand in der Facebook-Gruppe „The Society of Golf Historians“: „Das war ein Moment für Zeitzeugen, auf den wir uns im Bewusstsein seiner Bedeutungsschwere vorbereiten konnten.“ Gravitätischer geht‘s kaum, rundherum eruptierte die Ekstase.

Das US Masters 2022 im Liveticker

Das US Masters 2022 im Liveticker

Scheitert der letzter Stresstest am Wetter?

Natürlich, die Unterbrechung gestern war einer Gewitterwarnung geschuldet. Indes scheinen sogar die himmlischen Mächte ihr Teil beitragen zu wollen, wenn‘s um den geht, um den sich die Golfwelt dreht. Denn auch das gehört zum Epos von TW, von Tigers Wiedergeburt: Er wollte einen letzten Stresstest absolvieren, für seine Physis, fürs rechte Bein – und eigentlich schien die Wetter-Prognose für heute ebenfalls keinen Trainingsbetrieb zu ermöglichen, aber dann klappte es doch. Woods ging um 8 Uhr Ortszeit auf die Back Nine und gab hernach beim Betreten des Clubhauses grünes Licht für Donnerstag: „Alles ist gut, Freunde!“

Einspielrunde vor 35.000 Fans

Was morgen im Augusta National Golf Club los sein wird, mag man sich kaum ausmalen. Bereits bei seinen beiden 9-Loch-Runden wurde der Superstar von Menschenmassen begleitet, die man sich andernorts als Turnierkulisse wünscht. Weit mehr als 35.000 Fans sollen es jeweils gewesen sein.

Apropos: Für Hingucker-Effekte sorgt gleichermaßen ein anderer Evergreen, dessen Erscheinungsbild ansonsten selbst bei bunter Farbgebung im Bereich des klassischen Stils zu verorten ist: Bernhard Langer. Der 64-Jährige darf anlässlich seines 39. Masters-Starts (in Worten: neununddreißig!) seit dem Debüt 1982 mit einem quietschbunt beklebten Spaßmobil seines Sponsors Mercedes die Magnolia Lane herauf und herunter fahren und macht – Profi, der er ist – gute Miene zum schrillen Spiel.

Langer:  „Stronger than Time“

Freilich, die Aufschrift über den Hinterrädern beschreibt den Altmeister im golferischen Dauerfrühling und ältesten Teilnehmer im Feld perfekt: „Stronger than Time“. Das muss man nicht übersetzen.

Optische Opulenz ist heuer also auf und neben dem Platz gewährleistet. Sowieso hat dieses 86. Masters mindestens die Dimensionen des Turniers von 2019, das zwar nicht derart spannend und spektakulär begann, jedoch mit dem Triumph des Tigers endete. Stopp, Korrektur: Stand heute ist es bereits drüber;  hat was fürs Auge, fürs Herz und indirekt sogar für den Gaumen.

Festmahl statt „Happy Meal“

Letzteres ist Hideki Matsuyama zu verdanken, bei dessen Menü fürs Champions Dinner den Feinschmeckern das Wasser im Mund zusammen läuft. Endlich mal nicht irgendwelcher frittierter Krempel wie in so vielen Jahren zuvor. Oder die stets gern aufgewärmte Speisenfolge von Caesar Salad, Filetsteak, Vanilleeis. Oder Beliebigkeiten wie Bubba Watsons Wahl 2013 – besagte Salatkomposition, gegrillte Hähnchenbrust mit Mais und Kartoffelbrei sowie Konfettikuchen –, die Sir Nick Faldo in Anspielung an einen bekannte Fastfood-Brutzler damals als „Happy Meal“ bezeichnete.


„Das war vielleicht das beste Dinner, an das ich mich erinnern kann. Tolle Gesellschaft und Unterhaltung. Das Essen war sensationell! Das Beste war, als Hideki Matsuyama, der kaum Englisch spricht, eine dreiminütige berührende Ansprache auf Englisch hielt – in freier Rede. Gary Player hat ihm geantwortet. Auf Japanisch. Und mit Notizen …“

Jack Nicklaus


Nein, Matsuyama wurde sowohl seiner Heimat als auch dem Anlass gerecht und ließ die Küchencrew von Augusta National unter anderem Sushi, Sashimi und Nigiri, schwarzen Kabeljau mit Miso-Glasur und Ribeye vom Wagyū-Rind mit Gewürzsauce servieren – alles Weltklassiker der japanischen Gourmandise. So geht Champions Dinner. Übrigens: Egal, was auf den Tisch kommt, „die Rechnung ist stets deftig“, hat Bernhard Langer mal ausgeplaudert. „Aber das nimmt man gern in Kauf.“

US Masters 2022: Hideki Matsuy...

Rahm mault über Thomas‘ Bevorzugung

Derweil die Masters-Helden der vergangenen Jahre und Jahrzehnte drinnen tafelten – Phil Mickelson war übrigens nicht dabei –, schwelte draußen ein kleiner Zickenkrieg. Auslöser war 10:1-Favorit Jon Rahm. Der Spanier lamentierte in all dem Tiger-Trubel, er habe Woods öfters um Ratschläge in Sachen Grüns oder Set-up auf der PGA Tour gebeten, jedoch lediglich Allgemeinplätze oder ausweichende Antworten zu hören bekommen.

„Ich hab nie was gekriegt“, maulte Rahm und führte etliche Beispiele an. „Der Einzige, der immer eine komplette Dissertation aus Tigers Erfahrungsschatz kriegt, ist Justin Thomas.“ Aber der ist erstens für Woods eine Art kleiner Bruder, zweitens Intimus der Familie und quasi Charlie Woods‘ großer Bruder, drittens bei den Buchmachern mit 14:1 direkt hinter Rahm gelistet. Ein bisschen Ballyhoo gehört halt dazu bei einer idealen Event-Inszenierung.

McIlroy und sein 14. Masters-Anlauf

Heute wird‘s dafür wieder herzlich. Der Par-3-Contest steht an, das Familienfest auf Augusta Nationals idyllischem Kurzplatz. Jack Nicklaus will nicht mehr mittun, dafür kommen Rory McIlroy und Jordan Spieth mit den jüngsten Angehörigen der Golfgemeinde, mit Töchterchen Poppy bzw. Söhnchen Sam. Spieth hat 2015 das Masters gewonnen; McIlroy unternimmt den 14. Anlauf, um endlich das erste Major des Jahres einzutüten. Das einzige, das ihm zur Vervollständigung des Karriere-Grand-Slam fehlt. Derart oft und gar öfter mussten nur Billy Casper (14), Mark O’Meara (15) und Sergio Garcia (19) anreisen, um endlich ins Green Jacket zu schlüpfen.

Dank Poppy wenigstens Sieger der Herzen

McIlroy hat für dieses Jahr seine Strategie umgestellt, auferlegt sich Geduld und Disziplin, während ihn bislang Druck und Selbsterwartung eher hemmten. „Man spielt hier schlichtweg eine Partie Schach und muss sich stets bewusst machen, dass Pars gut sind“, sagt der Nordire über den „Eisen“-Platz Augusta National, auf dem es so sehr auf die zweiten Schläge ankommt, die nebst dem Putten momentan nicht Rors‘ Stärke sind. „Wenn man sich die Gewinner der vergangenen fünf bis zehn Jahre anschaut, dann sieht man, dass sie sich durch ihre Eisenschläge und durch die Annäherungen an die Fahnen vom Feld abgesetzt haben.“

Wie auch immer das Ganze ab Donnerstag läuft und ausgeht. Mit Ehefrau Erica und der gut 19 Monate alten „Mohnblume“ Poppy dürfte McIlroy heute Abend wenigsten schon mal zu den Siegern der Herzen gehören.

Stabiler Stand und …

Womit bloß noch zu klären wäre, was es mit Tigers neuen Schuhen auf sich hat. Ganz einfach: Die FootJoys, mit denen er in Augusta National auf- und antritt, sind fester als seine gewohnten Nike-Treter in Sneaker-Bauweise. „Die Mobilität des rechten Beins ist durch die Stäbe, Platten und Schrauben im Schien- und Wadenbein immer noch sehr eingeschränkt. Daher brauche ich mehr Stabilität.“ Das bedeute indes keineswegs, die Zusammenarbeit mit Nike sei beendet: „Wir arbeiten an einer Schuhlösung, die es mir erlaubt, mit stabilem Kontakt zum Boden zu schwingen.“

… Drives wie ein Uhrwerk

Wie das dann aussieht, hat der 15-fache Majorsieger dieser Tage auf der Driving Range bereits eindrucksvoll und mit der Präzision eines Uhrwerks bewiesen. Kein Wunder, dass Kumpel Fred Couples nach der montäglichen, „phänomenalen“ Einspielrunde mit Woods und Justin Thomas felsenfest überzeugt ist: „Egal ob Driver oder Eisen – er ist eine Maschine. Wenn Tiger die 72 Loch physisch schafft, wird der Sieg nur über ihn gehen. Er ist einfach zu gut.“ Die Sirenen und der Hype von gestern wären dann definitiv allenfalls ein Lindensäuseln.

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